Vom Lesen seiner Bücher hätte ich mich nie an ihn herangewagt
Shownotes
In dieser Sonderfolge des Bücher-Podcasts von der Frankfurter Buchmesse hören Sie das Gespräch, das Andreas Platthaus auf der Bühne der F.A.Z. mit seinem ehemaligen Kollegen Florian Illies geführt hat, über dessen neues Buch „Wenn die Sonne untergeht. Familie Mann in Sanary“.
„Wenn die Sonne untergeht“ von Florian Illies auf der Website des Verlags S. Fischer
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Transkript anzeigen
00:00:08: Willkommen, liebe Hörerinnen und Hörer, zu einer Sonderfolge des Bücher-Podcasts von der Frankfurter Buchmesse.
00:00:14: Dort, auf der Bühne der FHZ, hat Edu Rehns den ehemaligen Kollegen Florian Elias getroffen, um mit ihm über sein neues Buch zu sprechen über, wenn die Sonne untergeht, Familie Mann in Sanary.
00:00:30: Meine Damen und Herren, herzlich willkommen am Stand der Frankfurter Allgemeinen Zeitung.
00:00:34: Für mich eine große Freude hier jemanden begrüßen zu dürfen, mit dem zusammen, nicht vor relativ vielen Jahren bei der Frankfurter Zeitung gearbeitet habe.
00:00:43: Aus ihm ist was geworden, ich bin da hängen geblieben.
00:00:45: Herzlich willkommen Florian Illes.
00:00:51: Es ist bei der Frankfurter Zeitung haben wir es beide dann doch nicht mehr geschafft.
00:00:56: Wir waren dann schon bei der Nachfolgeorganisation der Frankfurter Allgemeinzeitung, aber wir träumen gemeinsam von den Zeiten der Frankfurter Zeitung.
00:01:05: Das ist dann wieder das Schöne bei einem Medium zu sein, was als relativ konservativ gilt, dass man sich immer wieder gerne an Blätter zurück erinnern darf, die ihren Beginn im neunzehnten Jahrhundert hatten.
00:01:13: Bei dir ist es ja auch eine Phase, wo ich mal behaupten würde, dass etwas ist, wo wirklich dein Herz dran hängt.
00:01:17: Das letzte große Buch war über Caspar David Friedrich.
00:01:21: nicht so, dass du das zwanzigste Jahrhundert bislang überhaupt nicht beachtet hättest.
00:01:23: Ich erinnere mich an so seltsame Bücher wie Generation Golf von neunzigzehn.
00:01:28: Das sind obskure Titel und die müssen sie alle gar nicht kennen.
00:01:31: Aber jetzt doch wieder sozusagen zurück ins zwanzigste Jahrhundert nach dem Abstecher in die Befreiungskriege, jetzt hier in die deutsche Exilszene.
00:01:40: Ist das eine Art logische Fortsetzung auch mit dem deutschen Wesen anhand einer der Legenden der deutschen Kultur?
00:01:58: Ich komme sehr bei meinem Schreiben von der Atmosphäre her.
00:02:01: Ich brauche authentische Eindrücke, authentische Gefühle, authentische Dokumente.
00:02:08: Und es gibt ganz unterschiedliche Heranginsweisen.
00:02:11: Bei Kaspar David Friedrich war das ein Künstler, der mich ... Ungeheuer fasziniert hat.
00:02:16: und irgendwann merkte ich, ich bin gar nicht der Einzige.
00:02:19: Ich spürte, wenn ich drüber sprach, merkwürdigerweise, weil sehr vielen Menschen, die auch nicht aus der Kunst kamen, dass da irgendwas in ihrer Seele berührt wird durch diese Kunst.
00:02:30: Dann habe ich mich, um ihm näher zu kommen und ein Buch zu schreiben, an seine Orte begeben.
00:02:34: Ich bin sehr lange in Greifsau halt gewesen, in Rügen.
00:02:39: Bin oben auf den Greidefelsen gesessen, dazwischen diesen hohen Buchen, die ihn auch so oft getröstet haben und ihn so oft inspiriert haben.
00:02:47: Und habe eigentlich dann aus dem Raum und aus dem Ostsee-Erlebnis von Friedrich und dann aus dem Dresden-Erlebnis dieses Buch geschrieben.
00:02:56: Ich war vor fünf Jahren in San Rizio-Mehr.
00:03:03: Ich war im Zimmer, in dem Klaus Mann im Jahr neunzehret dreinunddreißig gelebt hat.
00:03:11: Dort kann man nämlich noch heute wohnen.
00:03:12: Das ist das Zimmer Nummer siebzehn im Hotel de la Tour.
00:03:15: Und dann blickt man aus dem Fenster und sieht das alles, was man im Tagebuch von Klaus Mann liest.
00:03:21: Und dann lief ich da herum und sah, Kleines Schild, hier lebt Thomas Mann.
00:03:27: Und fünfhundert Meter später lebt Leon Feuchtwanger.
00:03:34: Und hier lebt Arnold Zweig und hier lebt Aldous Huxley.
00:03:45: Ich hatte das Gefühl, das ist so ein Weltaugenblick, der hier in diesem winzigen, verschlafenen Fischerort stattgefunden hat.
00:03:52: Und ich habe mich über diesen Raum, Thomas Mann, genähert.
00:03:57: Ich hatte eine viel zu große Errfeucht vor ihm.
00:03:59: Ich hätte mich vom Lesen seiner Bücher nie ... Ich hätte mich vom Lesen seiner Bücher nie ... an ihn herangewagt.
00:04:05: Er ist auch keine Figur, die mir jetzt wie Caspar David Friedrich ans Herz gewachsen ist.
00:04:12: Er ist natürlich so ein Gigant, aber er strahlt ja auch diese bewusste Kälte aus, oder wie Katja seine Frau sagt, Weltruhm.
00:04:22: Also er strahlt ja etwas aus, was es nicht einfach macht, sich ihm zu nähern.
00:04:26: Aber dieser Ort war für mich der Punkt, wo ich sagte, hier ist was geschehen.
00:04:32: Vor allem sitze ich dann hier plötzlich auch bei Sonnenschein und dreißig Grad und versuche mich zurück zu erinnern, wie die da gesessen haben im Sommerdreien dreißig völlig unwirklich in einem Sommerferiengefühl.
00:04:45: Zugleich lesen sie aber in den Zeitungen, dass die Bücher verbrannt werden von Glaus von Heinrichmann.
00:04:50: Sie hören.
00:04:52: vom Telefon, dass ihre Villa geblündert wird, dass ihre Autos beschlagnahnt werden.
00:04:57: Sie sitzen aber in einem Urlaubsort.
00:04:59: Wie kriegt man diese Gleichzeitigkeit von eigentlich nicht vereinbaren Gefühlen, von auch nicht eigentlich nicht vereinbaren Wirklichkeiten zusammen?
00:05:11: Das hat mich gereizt.
00:05:12: Das Ergebnis ist, wenn Sie in das Buch reingucken, man kriegt sie nicht zusammen, diese Gleichzeitigkeit von völlig disparaten Wirklichkeiten.
00:05:20: Thomas Mann ist in diesem Jahr vollkommen von der Rolle.
00:05:25: Er ist aus der Spur, er weiß nicht, wo er wohnen soll.
00:05:29: In seinem Tagebuch, jeden Tag, hat er eine neue Idee in Bootsen, in Innsbruck, vielleicht doch in Venedig oder in Nizza oder in Zürich oder in Basel.
00:05:40: Und in dieser kompletten Verunsicherung des Vaters entwickeln die Kinder plötzlich ungeahnte Kräfte.
00:05:48: Man erlebt Katja und man erlebt Erika und Klaus Mann so stark wie nie.
00:05:53: Also Klaus gründet seine Exilzeitschrift Erika, die Pfeffermühle erst in München dann in Zürich.
00:05:58: Und das ist sehr aufregend in diesem Jahr, dass man einmal merkt, die Kraftverhältnisse in dieser Familie, die eigentlich ansonsten für viele viele Jahrzehnte geklärt sind, sind einmal in Unordnung.
00:06:11: Und wie wir das alle aus unseren Familien kennen, ist es am faszinierendsten, wenn die klassischen Rollenzubeisungen plötzlich einmal auf den Kopf gestellt werden.
00:06:20: Und vor allem ist das für ein Auto ein wunderbarer Umstand, weil man plötzlich beschreiben kann, wie alle eine neue Rolle suchen.
00:06:28: Und das liegt im Ganzen eigentlich besonders zugrunde.
00:06:32: Interessantes, wie du das beschreibst.
00:06:34: Du machst es unglaublich, du sagst am Anfang, du kommst von der Atmosphäre her.
00:06:37: Und das ist wiederum etwas, was du auch fantastisch in deinen Büchern vermittelt.
00:06:40: Und das ist hier nochmal, finde ich, geradezu ins Extrem gesteigert.
00:06:43: Es ist eigentlich geschrieben wie ein Roman.
00:06:46: Du hast wörtliche Rede drin.
00:06:47: Du hast ganz viele Einblicke in die Persönlichkeiten.
00:06:51: Suggerierst unmittelbare Wahrnehmung, als wärst du ein auktorialer Erzähler, der über das ganze Personal gebietet.
00:06:57: Nun weiß man aus dem, wie du am Ende so ein bisschen aufschlüsselst, wo deine Quellen gewesen sind.
00:07:01: du bist vielen Archiven gewesen, du hast mit wahnsinnig vielen Leuten gesprochen, die sich mit dieser Zeit sehr intensiv beschäftigt haben.
00:07:08: Trotzdem ist es natürlich ein Wagnis Dialoge zu schreiben, von denen ich mal vermute, sie basieren in allergrößten Teil auf Zitaten aus Briefen und was weiß ich, dennoch so sind sie natürlich nie gehalten worden, denn selbst wenn es in Tagebüchern steht, ist es ja erinnert.
00:07:24: Wie geht man damit um?
00:07:27: Wo ziehst du deine Grenzen?
00:07:28: Wo fühlst du dich auf sicherem Terrain, wenn es darum geht, eine Szene zu bauen mit diesen Akteuren?
00:07:35: Ich habe für dieses Buch sicherlich am meisten recherchiert, wie von all meinen Büchern.
00:07:42: Generation Golf war natürlich die härteste Recherche.
00:07:44: Da habe ich dreißig Jahre recherchiert von der Geburt bis zum Erscheinen.
00:07:47: Aber danach kommt sofort, wenn die Sonne untergeht.
00:07:52: Weil ich natürlich die bekannten Tagebücher von Glaus Mann, von Thomas Mann für das Jahr lesen konnte, die gedruckt sind.
00:07:59: Aber es gibt eben hochinteressant ungedruckte Tagebücher.
00:08:02: Leon Feuchtwangers vollständig.
00:08:05: Ich habe das Tagebuch des Jahr-Dreisig.
00:08:07: Es ist ungedruckt.
00:08:10: Ich bekam es erst nach sehr langen Nachfragen, weil es vor allem sexuelle Details über den Autor enthält.
00:08:17: Die Bibliothek in Los Angeles wollte nicht so gerne teilen.
00:08:22: Aber ich habe es irgendwann bekommen.
00:08:23: Es gibt das Tagebuch von Arnold Zweig in der Akademie der Künstler.
00:08:27: Das war für mich die aufregendste Lektüre.
00:08:29: Das unveröffentlichte Tagebuch von Golo Mann.
00:08:34: Bernd unter Verschluss liegt im Literaturarchiv und da kriegt man plötzlich eine komplett neue Perspektive auf diese Familie.
00:08:42: Das hat mir ungemein geholfen.
00:08:49: Zweite, dritte sind für mich Augenzeugenberichten aus dieser Zeit, die berichten, welches Auto Erika Mann gefahren hat, was es für Fischarten unten auf dem Markt gegeben hat, etc.
00:09:00: Also ich bin in diesen Buchschreibzeiten ein großer Grunde von eBay, in diesem Fall vor allem von eBay Frankreich, um mir Postkarten aus dieser Zeit zu kaufen, um mir Briefe aus Sanerie aus diesen Jahren zu kaufen, um mir Adressverzeichnisse, Telefonbücher zu kaufen, um Gefühle zu kriegen.
00:09:18: Wie viele Friseure gab es in Sanarie in dieser Zeit?
00:09:21: Einen, er hieß Charles und er war die große Umschlagquelle für Informationen in diesem Buch etc.
00:09:27: Also ich sauge Fakten, Fakten, Fakten auf.
00:09:31: Und bei den Dialogen, das ist sehr interessant, dass du diese Frage stellst, weil das ist für mich als Autor der Punkt, wo ich am Zurückhaltensspin am skrupulösesten Bin.
00:09:42: In diesem Buch gibt es drei Dialoge.
00:09:45: Alle drei sind Dialoge, die ich eins zu eins aus Erinnerungen übernommen habe, weil ich mir nicht zutraue, ein Gespräch im Jahr nineteenhundertdreisig zu rekonstruieren, zu erfinden.
00:09:59: Das wäre eine Erfindung, weil ich nicht weiß, wie hat man sich begrüßt, wie ist das vonstatten gegangen.
00:10:07: Beines stammt aus zwei Dialoge, sind von Klaus Mann in wörtlicher Rede überliefert, im Wendepunkt, also in seinen eigenen Büchern.
00:10:16: Das schreckliche Gespräch mit dem Chauffeur der Familie Mann, der schon im März dem armen Klaus, als er ihn zum Zug fährt, Klaus fährt ins Exil nach Frankreich und dann teilt ihm der Chauffeur mit.
00:10:30: dass er der Schoför der Familie Mann übrigens morgen seinen Dienst bei der Nationalsozialistischen Partei anfängt.
00:10:38: Und dass er den Wagen der Mann übrigens auch mitnimmt.
00:10:41: Denn der würde dem Genossen Müller sehr gut gefallen.
00:10:46: Also der ist wörtlich überliefert von Klaus Mann.
00:10:50: Und ein anderer unglaublicher Dialog ist überliefert von Wilhelm Herzog, einem anderen Augenzeug dieser Jahre, der mit Thomas Mann spricht.
00:10:59: Und Thomas Mann wird von allen in diesem Jahr aufgefordert, sich gegen Deutschland zu stellen, gegen die Nationalsozialisten, aber er schafft es nicht.
00:11:06: Er kriegt es nicht hin, weil er sagt, das sind meine Leserinnen, meine Leser, ich kann nicht meine Leserinnen im Stich lassen.
00:11:13: Das ist irritierend, aber oft auch berührend, das zu erleben, weil er nicht weiß, was er da machen soll.
00:11:20: Er ist doch die deutsche Kultur.
00:11:23: Wie können die jetzt behaupten, deutsche Kultur zu sein?
00:11:26: Es lässt ihn fassungslos und er schafft es nicht, sich zu positionieren.
00:11:31: Dann gibt es einen Dialog von Wilhelm Herzog, der den überliefert hat, dass er mit Thomas Mann am Strand von Sanerie spazieren geht und dann sagt ... Er sagt, sie müssen jetzt ihr Wort erheben.
00:11:44: Vor allem, als sein Bruder Heinrich ausgebürgert wird im Ende August.
00:11:50: Und dann sagt Thomas Mann nach langem Schweigen, ich werde es mir überlegen.
00:11:57: Und da sagt dann Wilhelm Herzog abschließend, da wusste ich, er wird es nicht tun.
00:12:03: Also das sind die einzigen Dialoge tatsächlich.
00:12:07: Ich bin an diesem Punkt sehr skrupulös, weil ich glaube, man kann vieles versuchen zu rekonstruieren, aber die Gespräche, diese Leichtigkeit, die Lebendigkeit, die Energie eines Gesprächs in der Geschichte werden wir nie wirklich auch nicht mit einer künstlichen Intelligenz rekonstruieren können.
00:12:27: Ich glaube, mit der maler wenigsten.
00:12:28: Ganz am Ende bringst du ein hinreißendes Zitat von Josef Roth.
00:12:32: Thomas Mann schreibt besser als er denkt.
00:12:34: Das fand ich wirklich eine ausgesprochen kluge.
00:12:36: Beobachtung.
00:12:38: Sehr beeindruckend, natürlich gerade in der Zeit.
00:12:40: Glaubst du, dass die Tatsache, dass die Monate von Sanerie, man weiß abstrakt darum, man kennt den Ort, das hat man schon mal gehört.
00:12:47: Trotzdem habe ich immer das Gefühl gehabt, wenn man die Biografien liest oder sowas, das spielt keine Hauptrolle, obwohl es ja so die erste dauerhaftere Exiltstation war, wo er zumindest mal für drei Monate oder vier Monate fast gemacht hat und die ganze Familie war zusammen, was ja so eigentlich auch nie wieder vorkommen, so intensiv wie dort.
00:13:05: Glaubst du, dass etwas damit zu tun hat, dass man mit diesem Thomas Mann auch nicht gut warm wird?
00:13:09: Dass man wirklich denkt, wo ist denn der brillante Autor?
00:13:12: Entweder in einer ganz konservativen oder in der aufgeklärten Richtung?
00:13:15: Das kann.
00:13:17: sehr wahrscheinlich ist das der Grund, dass die großen Biografen, die großen Deuter, die es alle über die Jahrzehnte gegeben hat, die alle natürlich über diesen Zwischenzustand Bescheid wussten, einen Bogen darum gemacht haben.
00:13:31: Aber... Bei mir und meinen journalistischen Instinkten ist das so wie bei einem Drogenspürhund.
00:13:37: Ich schlage dann an, wenn ich ... Unbesiedeltes Terrain, Wittere.
00:13:45: Das war so bei nineteen dreizehn.
00:13:46: Ich habe damals mit Freude gesehen, wie alle Biografen ganz schnell zum August nineteen hundert vierzehn wollten und immer das Jahr nineteen hundert dreizehn sehr atemlos abgehakt haben, weil sie endlich erzählen wollen, wie wie Kafka, wie Thomas Mann, wie Picasso, wie Einstein im Ersten Weltkrieg sich verhalten haben.
00:14:05: Und da lag dieses wundervolle Jahr nineteen hundert dreizehn wie ein Sonnenbeschienen.
00:14:12: Ich konnte es bestellen, das war wunderbar.
00:14:15: Ähnlich ist es hier mit Sanerie.
00:14:17: Man sagt, er ist im Schweizer Exil.
00:14:21: Er ist bis zum sechsten Mai in der Schweiz, und er ist ab dem XXI.
00:14:27: September wieder in der Schweiz.
00:14:30: Deswegen wird dieses etwas merkwürdige französische Zwischenspiel in den Biografien, da wird auch Vorspulen gedrückt.
00:14:41: Ich hatte das Gefühl, dass das genau deshalb so erzählenswert ist.
00:14:47: Vor allem, weil es kein Buch über Thomas Mann ist.
00:14:50: Es ist ein Buch über die Familie Mann.
00:14:52: Das ist eine Familienaufstellung, wie man in der modernen Psychologie sagen würde.
00:14:57: Oder bestimmt nicht mehr modernen Psychologie.
00:14:59: Aber wie man in der Psychologie gesagt hat, zu Zeiten der Frankfurter Zeitung, da hat man das Familienaufstellung genannt.
00:15:09: Beim Schreiben hat mich sehr die amerikanische fantastische Serie Saksession beschäftigt.
00:15:16: Ich habe versucht im Stile von Saksession zu erzählen, vier Kinder kämpfen von morgens bis abends um die Anerkennung ihres Vaters in Saksession.
00:15:35: Das ist oft sehr komisch, sehr faszinierend zu sehen, wie diese Manns um die Gunst des Vaters bangen oder kämpfen.
00:15:44: Aber oft auch schrecklich, wenn man sieht, der arme Michael.
00:15:48: Der bisher dreizehn ist in seinem Leben noch kein anerkennendes Wort des Vaters gehört hat, kriegt in Sanerie ein maximales Lob des Vaters für seinen Geigen-Spiel.
00:15:58: Ein maximales Lob des Vaters für Michael Mann lautet nicht übel.
00:16:04: Und daraufhin spielt er fort an jeden Tag vier bis fünf Stunden Geige.
00:16:10: Und er wird später ein gefeierter weil er gemerkt hat, es ist das einzige kleine Möglichkeitenfenster für mich, die Anerkennung dieses Vaters zu gewinnen.
00:16:24: Und davon erzählt dieses Buch.
00:16:26: Versuch, den Vater irgendwie zu erweichen.
00:16:30: Und natürlich auch von der Eifersucht, den alle auf diese merkwürdig geliebte kleine Schwester Elisabeth haben.
00:16:37: Also diese Medi, die sie alle kennen aus dem Heinrich-Brilleur-Film, wo sie so wunderbar kicherend über diese schrecklichsten Dinge der Familie erzählt und immer sagt, war alles gar nicht so schlimm.
00:16:49: Man versteht, wenn man sich das hier anguckt in dieser ... In diesem Ausnahmezustand, dass sie offenbar das einzige Kind war, was Liebe geschenkt bekommen hat, Urvertrauen geschenkt bekommen hat.
00:17:01: Das klingt sehr positiv.
00:17:03: Nicht so positiv klingt es, wenn Sie sich den Schreibtisch von Thomas Mann angucken.
00:17:08: Auf dem gab es drei Familienbilder und eine Büste.
00:17:11: Die drei Familienbilder zeigten Elisabeth und die Büste zeigte auch Elisabeth.
00:17:16: Die für die fünf anderen Kinder waren zwar noch ein Meter zwanzig Platz.
00:17:20: wäre gewesen, aber die fanden keinen Zugang zum Schreibtisch des Hausherren.
00:17:25: Und allein sich das vorzustellen, da ist eine sechsköpfige Kinderfamilie, eine achtköpfige Familie.
00:17:31: Und da gibt es einfach das klar deklarierte Lieblingskind.
00:17:36: Das ist so viel Raum zum Erzählen, dass ich sehr glücklich war, diesen Raum füllen zu können.
00:17:44: Interessant fand ich, dass man bei deinen Schilderungen von den sechs Mann Kindern, was ja wirklich eine Welt für sich auch ist, diese Großfamilie.
00:17:52: Dann doch irgendwie das Gefühl hat, einige sind natürlich deinem Herzen viel näher.
00:17:55: Und Elisabeth ist jetzt nicht diejenige, der dein Herz vor allem gehört.
00:18:01: Die hat schon so viel Liebe bekommen.
00:18:02: Michael
00:18:02: ist es aber auch nicht in meinen Augen.
00:18:04: Das ist eher Mitleid, was man da bei dir spürt.
00:18:06: Riesen Respekt für Klaus Mann.
00:18:07: Du sagtest schon eben, dass das war vielleicht seine allerbeste Zeit.
00:18:10: Da hat er wirklich gekämpft wie ein Wahnsinniger und versucht seinen Vater zu machen.
00:18:14: Erika Mann, okay, die hat sowieso viel Aufmerksamkeit bekommen.
00:18:17: Aber mich hat absolut fasziniert, wie Monika Mann bei dir wegkommt.
00:18:21: Was du schon gesagt hast, war für dich vielleicht die allerwichtigste Quelle.
00:18:25: Das sind die beiden, wo ich sagen würde, die sind mir richtig nahe gebracht worden.
00:18:29: Das sind für mich die eigentlichen beiden Hauptpersonen.
00:18:33: weil er mehr Rolle gespielt hat, aber Monika fand ich auch wahnsinnig interessant.
00:18:37: Weil die bei allem irgendwie, du schreibst es mal irgendwie so schön, immer zu spät kam, aber genau darum auch bestimmte Fehler gar nicht gemacht hat.
00:18:43: Die ist dann auch in Sanarien ein bisschen länger geblieben.
00:18:45: Ja, genau diese beiden sind die Figuren, die für mich die wichtigsten geworden sind, weil sie die sind, die alle anderen Mitglieder der Familie Mann versucht haben, wegzuhalten.
00:18:58: Also die arme Monika, die hat irgendwann in den Fünfzigerjahren ihre Lebenserinnerung geschrieben.
00:19:02: Und Erika, die sehr stutenbissige Schwester sagt, sie soll bitte aufhören.
00:19:08: Sie hätte nichts beizutragen zur Familiengeschichte.
00:19:11: Also, das sei Ihre Aufgabe.
00:19:13: Erika würde die Familiengeschichte erzählen.
00:19:15: Nicht die Moni, die doch gar nicht erzählen könne.
00:19:19: Und wenn Sie Lust haben, was ganz Außergewöhnliches zu lesen, dann lesen Sie Monika Mann Vergangenes und Gegenwärtiges.
00:19:28: Das Buch ist viel origineller als sein Titel.
00:19:31: Es ist ein unglaublich poetisches Buch.
00:19:34: Da erzählt sie aus ihrer Sicht eines schwarzen Schafes diese Geschichte der Manns.
00:19:40: Und man spürte etwas, was man bei keinem anderen Mitglied der Familie Mann findet.
00:19:46: Das ist ein etwas Verträumtes, heute würde man sagen, verpeiltes Mädchen oder eine irgendwie immer zu spät kommende.
00:19:55: die den Vater in den Wahnsinn treibt.
00:19:58: Der Vater hält sie nicht aus, der wickelt irgendwann mal, weil er ihre wuscheligen Haare nicht ertragen kann, wickelt ihr mitten im Mittagessen aus dem Effekt ein Messerbändchen in die Haare.
00:20:08: Ich kann das jetzt hier schlecht darstellen, aber ich versuch's.
00:20:17: Das spürt mir auch plötzlich diese unterdrückte Aggression bei Thomas Mann, also dass er seiner Tochter ein Messerbändchen in die Haare ... windet, um sie zu bändigen.
00:20:27: Und diese Monika hat etwas, was man bei allem Respekt, glaube ich, bei keinem anderen Mitglied der Manns in ihren Büchern findet.
00:20:36: Die hat Poesie.
00:20:38: Das sind ganz sanfte saumselige Erinnerungen an diese Zeit in Sanerie.
00:20:45: Und das ist eine Tonelarge, die man sonst überhaupt nicht findet.
00:20:51: Es ist wirklich sehr herrlich.
00:20:53: Erst gehen alle aus Berlin raus.
00:20:54: Nur Monika verlässt Berlin nicht im Frühjahr.
00:20:59: Und die Manns sitzen da unten in Sanerie und sagen, komm, bitte runter.
00:21:02: Und sie ist gerade frisch verlebt in einem Pianisten und will nicht ins Exil.
00:21:07: Das findet sie übertrieben, obwohl sie Halbjüdin ist und mitten in Berlin zwischen den Nazi aufmärchen lebt.
00:21:15: Und dann am Ende kommt sie nach Sanerie.
00:21:18: Lebt dort, badet dort und dann reist die gesamte Familie Mann nach Zürich in die nächste große Villa, wo Thomas Mann sich endlich wieder eine Form geben kann.
00:21:31: Und was macht Monika?
00:21:32: Die bleibt einfach am Strand.
00:21:34: Die mietet sich ein Zimmer und badet noch bis in den November hinein und lässt sich im Meer treiben.
00:21:39: Also eine wunderbare, eine Seitenfigur aus dieser Mannfamilie, die eine große Aufmerksamkeit widme.
00:21:48: Und hinzu kommt meine persönliche Heldin, ist ihre Großmutter.
00:21:52: Hedwig Bringsheim, die Mutter von Katja, die zum Glück auch Tagebücher über diese ... wochen und Monate geschrieben hat, Briefe geschrieben hat.
00:22:02: Und aus all diesen Quellen zusammen ergibt sich eine Familiengeschichte, bei der man das Gefühl hat, es sind eigentlich acht bis zehn Tragödie, aber manchmal ergeben sie zusammen eine Komödie.
00:22:19: Deshalb würde ich auch sagen, um etwas, was du gerade eben über ein anderes Buch gesagt hast, abzuwandeln.
00:22:23: Dieses Buch ist viel optimistischer als sein Titel.
00:22:26: Denn wenn die Sonne untergeht, ist natürlich toll gewählt.
00:22:28: Aber im Endeffekt zeigst du auch eine ganze Menge von dem, was danach, auch gerade bei Thomas Mann, wieder an Entwicklungen eingesetzt hat.
00:22:35: Da sind etliche Dinge angelegt.
00:22:37: Er kommt zu spät, auch wie seine Tochter.
00:22:39: Aber irgendwann entscheidet er sich.
00:22:41: Und Monika ist tatsächlich ein großes Glück, über die zu lesen, auch über Golo.
00:22:45: Das haben wir jetzt nicht mehr weiter vertiefen können.
00:22:47: Vielen Dank, dass du da bist.
00:22:48: können Sie hier noch nicht kaufen.
00:22:50: Es kommt nämlich erst nächste Woche raus.
00:22:52: Aber die fünf Tage schaffen Sie jetzt auch noch, wenn Sie knappe Achtzig Jahre drauf gewartet haben.
00:22:57: Vielen Dank fürs hierseiten.
00:22:58: Vielen Dank.
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