Wie sich Angst verfestigen kann in unseren Körpern
Shownotes
In ihrem Debütroman „Blinde Geister“ erzählt Lina Schwenk von einer Familie, in deren Leben die Angst vor den Russen eine Konstante war – in den Fünfzigerjahren und in den frühen Zwanzigerjahren des 21. Jahrhunderts. Melanie Mühl hat die Schriftstellerin auf der Bühne der F.A.Z. auf der Frankfurter Buchmesse getroffen. Eine Sonderfolge des Bücher-Podcasts.
„Blinde Geister“ von Lina Schwenk auf der Website des Verlags C.H. Beck
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00:00:08: In ihrem Die Büro-Mann Blinde Geister erzählt Lina Schwenk von einer Familie, in deren Leben die Angst vor den Russen, eine Konstante war, in den Fünfzigerjahren und in den frühen Zwanzigerjahren des XXI.
00:00:21: Jahrhunderts.
00:00:23: Melanie Mühl hat die Schriftstellerin auf der Bühne der FHZ auf der Frankfurter Buchmesse getroffen.
00:00:28: Eine Sonderfolge des Bücher-Podcasts.
00:00:33: Herzlich willkommen, liebes Publikum, am Stand der FAZ.
00:00:37: Ist noch die Kaffee-Lust offenbar groß.
00:00:39: Herzlich willkommen, Lina Schwenk.
00:00:41: Sehr schön, dass Sie heute da sind.
00:00:44: Wir stellen Ihr Buch vor, Blinde Geister.
00:00:47: Es ist Ihr Debüt-Roman, vielleicht nochmal zwei Sätze zu Ihnen.
00:00:50: Sie sind hauptberuflich Ärztin, schreiben aber auch schon sehr lange privat und haben jetzt eben wie gesagt dieses Debüt veröffentlicht.
00:00:59: Das ist ein ganz besonderes Buch und ich muss ehrlich sagen, es ist auch mein Lieblingsbuch der Saison tatsächlich.
00:01:07: Es geht darin ganz kurz für jene, die es nicht gelesen haben.
00:01:10: Es erzählt eine Familiengeschichte.
00:01:13: Die Familiengeschichte startet in den fünftiger Jahren über mehrere Generationen.
00:01:18: Sie reicht bis in die Jetztzeit.
00:01:20: Es geht um Nähe und Ferne, um Schweigen, um Verschweigen, um transgenerationale Traumata.
00:01:28: Und wie sich diese Traumata in die Lebenswelten der Nachgeborenen der Kriegsgeneration einschreiben und deren Leben auch prägen.
00:01:37: und beeinflussen.
00:01:41: Erinnern Sie sich vielleicht noch an das erste Bild oder die erste Szene, die Sie im Kopf hatten, als Sie diesen Roman über diesen Roman nachdachten?
00:01:51: Gab es so einen Aha-Moment?
00:01:55: Ja, den gab es tatsächlich.
00:01:57: Ich habe angefangen mit einer Erzählung über Rita und Karl.
00:02:01: Damit beginnt auch das Buch.
00:02:02: Es ist ein altes Paar, was zusammen auf dem Boden legt über sieben Tage.
00:02:06: Und tatsächlich kam die Inspiration aus der Klinik, wo ein paar eingeliefert wurde, was zusammen sieben Tage auf dem Boden gelegen hat.
00:02:12: Und ich mich gefragt habe, wie kam das?
00:02:14: Und wer waren die beiden irgendwie?
00:02:16: Und je länger ich über die nachgedacht habe und dann rauszufinden, warum die da lagen, hat sich eben die Familiengeschichte aufgetan.
00:02:25: Und
00:02:27: wenn Sie sagen, die Lagen da, also die Lagen tatsächlich sieben Tage im Keller und niemand hat sich oder im Wohnzimmer und niemand hat es gemerkt.
00:02:36: Nein, niemand hat es gemerkt, genau.
00:02:38: Und haben die überlebt oder?
00:02:42: Die beiden haben dann überlebt, genau, aber in nicht so einem guten Zustand.
00:02:46: Natürlich.
00:02:47: Haben Sie mit denen dann persönlich darüber auch gesprochen, über deren Familiengeschichte?
00:02:51: oder war das für Sie ein Anlass, sich mit eigenen, mit Ihrer eigenen Familiengeschichte genauer auseinanderzusetzen oder überhaupt mit dieser Generation?
00:03:00: Die beiden waren nicht mehr intervielfähig und das hat dann auch aufgehört.
00:03:03: Also das war der Impuls mit dieser Fragestellung und dann habe ich mich auch viel mit meiner eigenen Familiengeschichte auseinandergesetzt und genau, das hat sich sozusagen dann so aufgetan, die deutsche Geschichte noch mal darin, in dieser Beziehung.
00:03:15: Und wie haben Sie recherchiert?
00:03:17: Also haben Sie viel gelesen, haben Sie mit Ihren Eltern gesprochen, mit Ihren Großeltern?
00:03:22: Ja, ich wünschte, ich hätte mehr mit meinen Großeltern gesprochen.
00:03:26: Bei uns wurde, wie in vielen Familien, viel geschwiegen.
00:03:29: Und jetzt, nachdem ich dieses Buch geschrieben habe, wünschte ich, ich wäre damit anders umgegangen.
00:03:34: Also ich habe natürlich viel meiner andere Familie befragt oder in der Klinik eben auch viel mit Patienten gesprochen.
00:03:43: Sie sind ja hauptberuflich... Ärztin, inwiefern beeinflusst dieser Beruf ihr Schreiben?
00:03:49: oder wie viel von diesem Beruf ist in das Schreiben eingeflossen?
00:03:55: Also eingeflossen vor allen Dingen in dieses Buch ist, glaube ich, die Verbindung von Körperlichkeit und seelischem sehr stark, weil ich habe ja auch versucht, das ist ja ein sehr konkretes, sehr körperliches Buch, was eben auch zeigt, wie sich Angst verfestigen kann in unseren Körpern.
00:04:10: Ich glaube, dass das eine der Erfahrungen ist, die ich in der Klinik immer wieder gemacht habe und je älter die Menschen werden, desto schwieriger ist es, das noch getrennt zu halten, aber dass man sich dem auch bewusst werden muss.
00:04:20: Das ist eine der Erfahrungen.
00:04:23: die Angst in den Körper einschreibt und dann auch zu psychosomatischen Beschwerden führt, oder?
00:04:29: Ja, das auf jeden Fall auch, klar.
00:04:31: Aber ich glaube auch alleine schon, was wir dann für einen Bedürfnis nach Nähe zum Beispiel entwickeln oder also, dass Karl in den Keller geht, ist sicherlich auch eine Art, eine Nähe herzustellen, die er braucht.
00:04:42: Also Karl und Rita sind ein... Paar und gehen oft zusammen in den Keller und nehmen in diesem Keller.
00:04:51: Der Keller spielt eine große Rolle in diesem Roman und ist ein wichtiger Ort und auch ein sehr prägender Ort.
00:04:59: Und in diesen Keller nehmen die beiden ihre Kinder mit.
00:05:03: Olivia und Martha, also zwei Schwestern.
00:05:06: Wofür steht dieser Keller und was erleben diese Kinder in diesem Keller?
00:05:13: Ja, der Keller ist, in allererster Linie ist es Herr Karls Idee, der nimmt seine Familie damit runter, sobald er Angst hat, dass ein Krieg ausbrechen könnte oder sobald er sich bedroht fühlt.
00:05:22: Und für ihn ist das eine Möglichkeit, sich sicher zu fühlen, aber auch sich mit der Angst auseinanderzusetzen, die er aus dem Zweiten Weltkrieg mitgenommen hat, ohne dass er mit seiner Familie darüber sprechen muss.
00:05:32: Also es ist eine Art, in dieser Nähe zu gehen, ohne das zu thematisieren.
00:05:37: Und für die Kinder ist es letztendlich andersrum ein Zugang zu dem Vater, der immer sehr unnahbar ist.
00:05:43: Also funktioniert dieser Keller in ganz viele Richtungen.
00:05:47: Die Kinder empfinden diesen Keller ja auch als so eine Art abenteuer Raum.
00:05:51: Anfangs, als sie klein sind, ist das natürlich irgendwie aufregend.
00:05:54: Da läuft so ein Radio und so und man nimmt Konservendosen mit und schläft dort.
00:05:58: Und je älter die werden, desto gruseliger ist es natürlich auch in diesem Keller.
00:06:03: Was verändert sich denn dadurch auch in der Familienkonstellation oder in der Dynamik zwischen den Generationen?
00:06:11: Durch das älter werdende Kinder.
00:06:13: Naja, es ist so, dass die Schwester von Olivia irgendwann dort nicht mehr sein möchte.
00:06:17: Und ich glaube, dass sie das nicht mehr ertragen kann, was dadurch eigentlich verschwiegen wird und sich in eine Auseinandersetzung wünscht, ohne das sagen zu können.
00:06:24: Und Olivia, der Keller verschwindet irgendwann, als sie älter werden, weil die eben erwachsen werden.
00:06:28: Und erwachsene Kinder kann man nicht mehr mit runternehmen.
00:06:30: Und das führt dann letztendlich dazu, dass sie keinen Zugang mehr zu ihren Eltern hat.
00:06:35: Und daran arbeitet sie sich ab.
00:06:37: Das ist eben auch sehr interessant, finde ich, dass der Keller dann ja fast so ein Ort, so ein Sehnsuchtsraum wird, weil dadurch ja dann eben auch Verbindungen wiederum abgeschnitten werden, auch durch das Alter werden.
00:06:50: und dann eben dieses große Haar dann der Erzählerin auch damit, welchen Weg findet sie denn für sich selbst, um mit diesem Verlust umzugehen?
00:07:03: Ich glaube... dass sie sich mit ihrer eigenen Haltung irgendwann anfängt auseinanderzusetzen.
00:07:09: Also was gar nicht unbedingt, dass sie rausfindet, was sie jetzt genau mitgenommen hat an Traumatisierung, weil das ist ja was ganz Abstraktes, das kann man nicht rausfinden.
00:07:17: Wie hat sich das in mich eingeschrieben.
00:07:19: Aber sie versteht irgendwann, was für eine Art von Nähe sie braucht, in der Beziehung, in der sie lebt und versteht das einzuordnen.
00:07:25: Und das ist auch ein, glaube ich, dieser Grundthin im Roman ist, wie altern wir und in was für eine Haltung habe ich... Mit dem Sterben gegenüber, erkenne ich die an, diese eigene Haltung.
00:07:35: Ich glaube, das schafft sie, dass sie das eingestellt sich.
00:07:38: Ja, den Eindruck hatte ich beim Lesen jedenfalls auf alle Fälle auch.
00:07:42: Was mich auch interessiert jetzt, weil sie vom Sterben sprechen, sie sind natürlich als Ärztin mit dem Sterben permanent konfrontiert und hat trotzdem diese Arbeit an dem Buch nochmal was für sie verändert, auch in der Frage, was bedeutet eigentlich Erinnerung für uns?
00:07:56: und wie müssen wir uns auch unsere eigene Erinnerung, die sich ja auch mit den Jahren immer verändert und wir die ja auch selber aktiv gestalten.
00:08:06: Also welches Verhältnis Haben Sie da entwickelt, zum Sterben, zum Erinnern, zum Nähe, Körperlichkeit?
00:08:15: Ich glaube, ich habe dadurch noch mal anders verstanden, wie schwer das ist, sich damit wirklich auseinanderzusetzen und sich dem zu stellen.
00:08:21: Und sich auch Erinnerungen zu stellen, weil man ja eigentlich denkt, man kennt seine Erinnerungen.
00:08:24: Ich habe bei sterbenden Patienten oft erlebt oder öfter erlebt.
00:08:28: Und auch bei meinem eigenen Großvater, das kurz vorm Tod diese ganzen Kriegseränderungen wirklich noch mal brutal zurückgekommen sind.
00:08:35: Und es ist ja so ein bisschen so, dass man sich davor gar nicht schützen kann, wenn die dann kommen.
00:08:40: Und dass das alles in so einer Verbindung zueinander steht, eben mit dieser Körperlichkeit, mit dieser Nähe und mit dem Erinnern selbst.
00:08:46: Ich glaube, dass ich da nochmal für mich Zusammenhänge erarbeiten konnte.
00:08:51: Und würden Sie sagen, dass auch durch diese Arbeit an dem Buch Sie sozusagen an Ihrer eigenen Erinnerungsarbeit.
00:08:58: Anders die eigene Erinnerungsarbeit anders in Angriff nehmen, zukünftig, sie haben ja auch zwei kleine Kinder.
00:09:04: Das ist natürlich auch ein Bruch und spielt dann auch eine Rolle, was das Erinnern, das Älterwerden betrifft.
00:09:12: Ja, auf jeden Fall.
00:09:14: Ich plan immer, das alles viel besser zu machen.
00:09:18: Aber ... Ich wünschte jetzt tatsächlich, ich wäre damals anders damit umgegangen, weil ich so das Gefühl hatte, dass wir, wir dachten immer, wir kennen das alles im Geschichtsunterricht und so weiter und ich wünschte wirklich, ich hätte damals verstanden, dass wir Teil von der Aufarbeitung waren und dass wir in die Familien hätten gehen müssen und das nochmal ganz anders zusammenraffen.
00:09:34: Und ich würde mir wünschen, dass ich das meinen Kindern beibringen kann.
00:09:37: Das ist ja auch eine Art Mut, die dazu gehört.
00:09:39: Und dass es auch jetzt noch nicht zu spät ist, darüber zu sprechen und in die Erinnerung zu gehen.
00:09:43: Auch wenn jetzt natürlich viele schon gestorben sind, die man befragen könnte.
00:09:46: Hat es auch innerhalb ihrer Familie Dynamiken veränderte Schreiben an diesem Buch?
00:09:50: Also wenn Sie mit Eltern oder Großeltern und deren Erinnerungen oder dann vielleicht Freunden oder Bekannten gesprochen haben?
00:09:57: Ja, es hat schon noch mal viele Erinnerungen wachgerufen, hatte ich das Gefühl.
00:10:01: Also mir wurde dann viel erzählt, also zum Beispiel, dass meine Großtante, als sie am Schlüsselbein operiert wurde, als sie aufwachte aus der Kose, sich zwischen die Betten geschmissen hat und da wirklich stundenlang saß, weil sie dachte, sie ist wieder im Luftschutzbunker.
00:10:11: Und als diese Dinge kamen dann eben wieder hoch.
00:10:15: Aber ich glaube, tatsächlich ist da immer noch so eine gewisse Verletztheit und Unsicherheit, weil bestimmte Dinge so schwer sind, aufzuarbeiten, dass man so in so einem leeren Raum dann steht manchmal.
00:10:26: Was ich mich beim Lesen auch gefragt habe, ist, ob der Keller, ob sie den erfunden haben oder ob ihn von diesem Keller erzählt worden ist, weil der so eindringlich auch geschildert ist und als dieser Ort auch was Unheimliches und andererseits aber auch was unglaublich Faszinierendes hat.
00:10:44: Der Keller war schon da und mir ist dann trotzdem irgendwann eingefallen, dass meine Großeltern einen Keller hatten, der wirklich bis zur Decke gestapelt war mit so einen gekochten Lesern.
00:10:51: Und das hinten am Fenster, wirklich so ein Tischstand auch mit zwei Stühlen, wo ich die nie hab, sitzen sehen.
00:10:57: Vielleicht kam dann doch da die Inspiration her.
00:11:00: Also sind Ihre Großeltern dann noch aus Angst in den Keller?
00:11:05: Nee, ich weiß davon nichts.
00:11:06: Aber da wurde wirklich überhaupt nicht drüber gesprochen.
00:11:08: Überall Ängste wurde nicht gesprochen.
00:11:11: Nun sind sie ja mit, es ist ihr Debüt-Roman und natürlich ist auch dieser Debüt-Roman nicht vom Himmel gefallen.
00:11:18: Also sie schreiben schon länger und das Buch war nicht einfach da.
00:11:23: Wann hat eigentlich die Arbeit an dem Buch angefangen oder überhaupt ihre Leidenschaft für das Schreiben?
00:11:30: Also meine Leidenschaft für das Schreiben war, das klingt immer so doof, aber war immer schon da.
00:11:35: einfach, weil ich glaube, je älter ich wurde, desto mehr hat mich fasziniert, wie präzise und wie poetisch gleichzeitig die Sprache sein kann.
00:11:42: Und dass man in diesen ganz normalen kleinen Sätzen oder in diesen klaren, einfachen Sätzen auch so viel sagen kann, so viel schreiben kann.
00:11:50: Und das hat mich immer schon fasziniert.
00:11:52: Und daran habe ich jetzt gearbeitet, zwanzig Jahre lang, aber den Roman auch erst seit drei bis fünf Jahren.
00:11:58: Wie schwierig war das?
00:12:00: dieses Schreiben auch mit ihrer Arbeit als Ärztinnen-Einklang zu bringen?
00:12:07: Und den Kindern?
00:12:08: Und den Kindern, Entschuldigung.
00:12:09: Das ist natürlich
00:12:10: noch wichtiger.
00:12:11: Und den kleinen Kindern, eins und drei sind die.
00:12:15: Das ist die wahre Herausforderung gewesen.
00:12:17: Aber ich habe eine starke Familie und ich habe dann immer wieder in Feieräume.
00:12:20: Und tatsächlich, wenn man dann weiß, man hat jetzt eine Stunde, dann arbeitet man dir auch.
00:12:25: Oder dann abends noch.
00:12:26: Genau, es ist schon möglich.
00:12:28: Wie sind Sie an Ihren Verlag geraten?
00:12:30: Wurden Sie entdeckt oder haben Sie immer eine Skript selbst rausgeschickt, was ja sehr mutig wäre und auch, glaube ich, immer wenig Chancen auf Erfolg hat?
00:12:39: Haben Sie eine Agentin?
00:12:40: Ich habe eine Agentin genau, Annabella Safti, ist sie irgendwo da.
00:12:43: Genau.
00:12:44: Also bei mir war das ein ganz klassischer Weg und da muss ich unbedingt den Open Mic erwähnen, weil ich dort eingeladen wurde und darüber dann entdeckt wurde von Annabelle.
00:12:55: Und das war dann viel leichter.
00:12:56: Also ich hatte immer im Kopf, dass ich irgendwann diesen Roman, also da habe ich noch nicht daran gearbeitet, so richtig so so indirekt und seitdem ich sie kenne, sehr direkt, weil ich dann wusste, es hat eine Perspektive.
00:13:06: Genau.
00:13:08: Was mir besonders gut gefallen hat, ist Ihre eben sehr reduzierte poetische Sprache.
00:13:13: Es ist auch ein schmales Buch und es steckt da aber sehr viel Geschichte darin.
00:13:18: Wie haben Sie zu diesem, finde ich, sehr besonderen Ton gefunden?
00:13:23: Es ist auch eines der Bücher, in denen man tatsächlich keine Phrase findet und das finde ich auch eigentlich relativ selten und ein großer Lesegenuss.
00:13:31: Wie ist Ihnen das gelungen?
00:13:34: In einem Geheimtrick.
00:13:37: Ah, den würde ich schon gerne
00:13:38: wissen.
00:13:39: Ich glaube, es hat mich sehr gefreut, was Sie in der Rezension geschrieben haben, weil das eines meiner eigenen Ansprüche ist, glaube ich, mit diesen Phrasen.
00:13:46: Und ich dann auch natürlich siebe, weil ab und zu schon mal eine rausrückt.
00:13:52: Aber es muss eben gesiegelt und auch laut vorgelesen werden.
00:13:54: Und wenn man dann jemanden hat, der zuhört oder auch meinen Partner, dann hört man die Phrasen auch, wenn man sie vorliest.
00:14:00: Haben Sie also literarische Vorbilder, an denen Sie sich auch so ein bisschen orientiert haben, schreiben, hat ja auch immer was mit Lesen zu tun.
00:14:10: Stil hat auch immer was mit Leseerfahrung und Lesebiografie zu tun, was einem gefällt, was man lernt, was man unbewusst vielleicht übernimmt oder versucht zu übernehmen.
00:14:21: Haben Sie da Vorbilder?
00:14:25: Also Vorbilder im Sinne, dass ich nacheifere eigentlich nicht, da fällt mir jetzt niemand ein.
00:14:29: Ich hab natürlich Autoren, die wahnsinnig bewundere.
00:14:31: Und ich hab immer versucht, viel zu lesen, um zu lernen, um es zu genießen, aber um zu lernen.
00:14:38: Welche Autoren sind das?
00:14:40: Für dieses Buch Expecit war das jetzt Ingeborg Bachmann und Anni Erno.
00:14:48: Da war noch mehr, aber da bin ich wirklich immer auf der Bühne blank.
00:14:54: Ich mach mal, die schreibt mir die nächste mal auf.
00:15:00: Beim Nobelpreis ist es ja so, dass hört man, dass dann die, die nominiert sind, vor dem Telefon sitzen und denken, jetzt, wann klingelt das endlich?
00:15:09: Ist ja auch klar, wann die Longlist bekannt gegeben wird.
00:15:11: Das heißt nicht, irgendwie auch von dem Telefon und dachten, kommt jetzt mal ein Anruf, oder?
00:15:18: Wir waren im Urlaub und es war endlich Pause, was war der Stress, ich davor, und ich war so angespannt schon.
00:15:24: Und hab dann so getan, als würde ich nicht warten.
00:15:28: Aber
00:15:28: trotzdem haben wir aufs Handy geguckt.
00:15:30: Ja, es lag in der Nähe.
00:15:32: Und dann hat mein Elektorin angerufen.
00:15:34: Das ist dann immer ein Tag vorher, oder?
00:15:36: Genau.
00:15:40: Noch zum Titel, Blinde Geister.
00:15:43: Ich da bin, er dachte erst, okay, Blinde Geister.
00:15:46: Interessant, was von Buch wird das wohl sein?
00:15:49: Wie ist dieser Titel entstanden?
00:15:51: Es ist ja so ein Spiel, die die beiden Schwestern Olivia und Martha spielen bei der Großmutter.
00:15:58: Was tun die da?
00:16:02: Ja, ich glaub die.
00:16:05: Die spielen indirekt das, was sie kennen.
00:16:07: Also das ist ja letztendlich, wenn die spielen, dass sie nicht gesehen werden, dass sie das eigentliche nicht finden können und das noch in einem dunklen Schrank letztendlich.
00:16:21: Also dieses Kinderspiel ist, glaube ich, das beste Bild gewesen für diesen Roman, wo es da eigentlich geht.
00:16:27: Und genau, dann kamen wir auf den Titel.
00:16:32: Sie haben auch geschrieben, es ist ein Roman über das Wiederfinden von Sprache, Kraft und Verbundenheit.
00:16:41: Inwiefern trifft es
00:16:43: auch
00:16:44: auf sie selbst zu innerhalb des Prozesses dieses Wiederfinden?
00:16:49: Haben Sie da auch ein Stück Wiedergefunden?
00:16:54: Ja, also ich habe schon, man hat ja immer seine eigenen Familiengeschichten, mit denen man kämpft.
00:16:59: und den Beziehungen auch.
00:17:01: Und ich glaube, dass ich tatsächlich noch mal offener geworden bin, bestimmten Geschichten, die bei uns passiert sind, bestimmten Konflikten, die passiert sind und wesentlich nachsichtiger tatsächlich noch mal geworden bin.
00:17:13: Das ist bei mir schon passiert.
00:17:14: Und das Schönste war tatsächlich, ich habe das Buch auch meiner alten Geschichtverlehrerin geschickt und die hat mir dann geschrieben, dass genau das Gleiche bei ihr passiert ist und dass es sie so berührt hat in dieser Generation.
00:17:23: Und genau, das war dann einfach schön.
00:17:27: Vielen herzlichen Dank.
00:17:29: Ich kann dieses Buch wirklich nur allen empfehlen.
00:17:31: Es ist eine wunderbare Geschichte und jeder, der einen Sinn für Sprache hat und Sprache besonders mag, wird unfassbar viel Freude an diesem Buch haben.
00:17:41: Vielen Dank für dieses Gespräch, Frau Schwenk.
00:17:43: Vielen, vielen Dank.
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