Ein Luftkrieg zum Mitmachen - Kateryna Mishchenko spricht über neue Texte zur Ukraine
Shownotes
Seit dem Kriegsbeginn am 24. Februar 2022 habe ich in diesem Bücher-Podcast versucht, durch den Blick auf literarische Neuerscheinungen auf das Geschehen in der Ukraine zu reagieren. Zuletzt mit den Bildbetrachtungen von Katja Petrowskaja, „Als wäre es vorbei“, im Jahr davor mit dem erschütternden Gefängnistagebuch von Stanislaw Assejew., “Heller Weg. Donezk“. Assejew ist nach seiner Freilassung an die Front gegangen, um gegen die russische Invasion zu kämpfen. Sein Beitrag über die Rolle der Intellektuellen in autoritären Regimen ist Teil des Bandes „Geteilter Horizont: Die Zukunft der Ukraine“, in welchem die Autorin Kateryna Mishchenko und Katharina Raabe, die Lektorin für osteuropäische Literaturen im Suhrkamp Verlag, neue Essays und Analysen zur Lage zusammengetragen haben.
Der Aufbau ist ähnlich wie in den Vorgängerbänden „Aus dem Nebel des Krieges“ (2023) und „Testfall Ukraine“ (2015): mehr als ein Dutzend Beiträge über verschiedene Aspekte des Krieges, manchmal mit wissenschaftlicher, oft aber auch mit literarischer Note, dazu zahlreiche dokumentarische Fotos. Gegen Ende des vierten Kriegsjahrs ist der Ton härter und desillusionierter geworden. Die Mitherausgeberin Kateryna Mishchenko, mit der ich mich im Podcast über das Buch unterhalte, schlägt diesen besonderen Ton schon im ersten Satz des allerersten Beitrags an: „Ermüdungskrieg, Ermüdungskrieg – das kann man sich beim Ein- und Ausatmen immer wieder vorsagen, um den Atem zu beruhigen, wenn man sich nur noch hinlegen, mitten im Wort einschlafen, den Gedanken nicht zu Ende denken und nie wieder etwas sagen möchte. Aber ich weiß, jegliche Ermüdung ist eine Chance, ein kleiner Pluspunkt für den Krieg.“
„Geteilter Horizont: Die Zukunft der Ukraine“, herausgegeben von Kateryna Mishchenko und Katharina Raabe, ist im Suhrkamp Verlag erschienen, hat 330 Seiten und kostet 23 Euro. Die Texte aus dem Ukrainischen wurden übersetzt von Lydia Nagel, die aus dem Englischen von Anselm Bühling und Philipp Goll.
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Transkript anzeigen
00:00:07: Seit dem Kriegsbeginn am fierundzwanzigsten Februar, ich habe in diesem Bücher-Podcast versucht, durch den Blick auf literarische Neuerscheinungen auf das Geschehen in der Ukraine zu reagieren.
00:00:20: Zuletzt mit den Bildbetrachtungen von Katja Petrovskaja, als wäre es vorbei.
00:00:25: Im Jahr davor mit dem Gefängnis-Tagebuch von Stanislav Asseev.
00:00:30: Jetzt ist unter dem Titel geteilter Horizont die Zukunft der Ukraine Ein Band mit aktuellen Essays und Analysen verschiedener Autoren erschienen, herausgegeben von der Autorin Katarina Mishchenko und Katarina Rabe, Delektorin für osteuropäische Literatoren im Sokampferlag.
00:00:49: Der Aufbau ist ähnlich wie in den Vorgängerbänden aus dem Nebel des Krieges, von dem Jahr zwanzig, und Testfall Ukraine von zweitausendfünfzehn lang her.
00:01:02: Mehr als ein Dutzend Beiträge über verschiedene Aspekte des Krieges, manchmal mit wissenschaftlicher, oft auch mit literarischer Note, dazu zahlreiche dokumentarische Fotos.
00:01:13: Gegen Ende des vierten Kriegsjahres ist der Ton härter und desillusionierter geworden.
00:01:19: Die Mitherausgeberin Katarina Mishchenko, mit der ich mich gleich über das Buch unterhalte, schlägt diesen besonderen Ton schon im ersten Satz des allerersten Beitrags an.
00:01:30: Ermüdungskrieg.
00:01:34: Das kann man sich beim Ein- und Ausatmen immer wieder vorsagen, um den Atem zu beruhigen, wenn man sich nur noch hinlegen, mitten im Wort einschlafen, den Gedanken nicht zu Ende denken und nie wieder etwas sagen möchte.
00:01:48: Aber ich weiß, jegliche Ermüdung ist eine Chance, ein kleiner Pluspunkt für den Krieg.
00:01:57: Mit anderen Worten weitermachen, auch wenn es schwer fällt.
00:02:02: Nicht aufhören mit der Gegenwehr, die ja, wie wir wissen, auf vielen Ebenen stattfindet.
00:02:07: Seit fast vier Jahren verteidigt die Ukraine auch uns.
00:02:12: Heute ist Sonntag der zweite November, twenty-fünfundzwanzig.
00:02:15: Ich bin Paul Engendei und ich freue mich, dass Sie dabei sind.
00:02:22: Ich begrüße jetzt Katharina Mishchenko zum zweiten Mal im Studio des FAZ Bücher Podcasts.
00:02:28: Das ist schon über zwei Jahre her, dass wir nicht hier im selben Raum, aber in einem anderen Raum saßen und aufgenommen haben.
00:02:35: Und der Krieg dauert schon über, ja, bald vier Jahre, aber wir haben damals eine Zwischenbilanz gezogen nach einem Band, der in der Edition Surkamp erschienen ist.
00:02:46: Und jetzt haben wir ein neues Buch, das heißt Geteilter Horizont, die Zukunft der Ukraine, herausgegeben von Katharina Mishchenko und Katharina Rabe.
00:02:56: Wie organisiert ihr so ein Buch?
00:02:58: Ihr trommelt eure Autoren zusammen und was kommt zuerst?
00:03:02: Thema oder Autor beim Nachdenken über die Zusammensetzung?
00:03:08: Es ist sehr schön, dass wir unser Gespräch fortsetzen.
00:03:12: Vielleicht da, wo wir das vor zwei Jahren abgeschlossen haben und es war endlich mit diesem Buch.
00:03:19: Also wir haben zwei Jahre daran gearbeitet, was nicht so geplant war.
00:03:26: Also die Arbeit hat sich auch etwas ausgedehnt oder hat sich immer wieder weitergezogen und die Idee des zweiten Buches war schon bei den Präsentationen des ersten Bandes.
00:03:42: Ich wusste, dass es weitergeht.
00:03:44: Wir wollten weitermachen.
00:03:46: Da, wo wir den Punkt gesetzt haben, hatten wir sofort Ideen für weitere Texte.
00:03:52: Was hat uns gefilmt?
00:03:54: Bei Präsentationen haben wir auch mit den Lesern und Leserinnen gesprochen.
00:04:00: Das, was sie gefragt haben, hat uns zu weiteren Ideen gebracht.
00:04:04: Ich kann mich sehr gut erinnern.
00:04:06: Ich war auf der Leipziger Buchmesse.
00:04:11: Das Buch war ganz frisch da.
00:04:14: Und ich habe gedacht, jetzt müssen wir ein Buch machen über den Horizont, den wir teilen.
00:04:23: Die
00:04:24: Metapher war schon da.
00:04:25: Die Metapher war schon da, aber die hat sich natürlich mit einer ganz anderen Bedeutung gefühlt in dieser Zeit.
00:04:33: Denn damals, als ich war, ging es, glaube ich, viel mehr um die Hoffnung.
00:04:40: und um die Möglichkeit, die Zukunft zu gestalten.
00:04:43: Ich glaube, damals waren die Wiederaufbaugespräche ganz populär und die Ideen, was alles nach dem Krieg neu oder besser gemacht werden kann.
00:04:52: Das war im Frühsommer, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühjahr, im Frühj.
00:05:09: Und vor allen Dingen unser Zeitbegriff, was den Krieg betrifft.
00:05:12: Das ist ja wirklich etwas, was jedem geschieht und was auch in diesem Band sehr stark thematisiert wird.
00:05:18: Nämlich, ich habe das vorhin in der Anmoderation zitiert, das Wort Ermüdungskrieg, dass du an den Anfang deines eigenen Beitrags gesetzt hast.
00:05:28: Darf ich dich fragen, wie gehst du um mit der Tatsache, dass es ein Setz fürchterlich ermüdend und frustrierend und auch wirklich peinigend ist?
00:05:38: und dass man trotzdem weitermachen muss.
00:05:40: Es ist eine, glaube ich, Frage, die ich mir immer stelle oder eine Herausforderung, die ich für mich in die politische Sprache oder politische Wirklichkeit übersetze und dann klappt es.
00:05:59: Denn es ist, glaube ich, einfach, ein Teil dieser Enthusiasmuswelle zu sein.
00:06:05: und aus dem Schock heraus zu agieren, wo das Gefühl der Gemeinsamkeit, der Solidarität da sind, spürbar sind, da ist ja nicht schwer mitzumachen.
00:06:17: Man muss sich nur genau überlegen, was zu tun ist.
00:06:21: Und nach dieser Zeit, also bei diesem da, wo wir auch ganz physisch verstehen können, was Ermüdungskrieg oder Abnutzungskrieg ist, ja, es betrifft ja nicht nur die Ressourcen, sondern auch das innere Leben oder das innere der Menschen, dann ist es schwierig.
00:06:41: die Kräfte zu finden oder die Hoffnung nicht zu verlieren.
00:06:46: Aber umso wichtiger ist es, das auszuhalten und weiterzumachen.
00:06:51: Ja, also das finde ich tatsächlich, weil zuvor vom Enthusiasmus sprach.
00:06:55: es, dachte ich, auch das erfordert enormen Mut, weil wir sprechen von einem Enthusiasmus, der viele Menschen in den Kampf, in den Krieg geführt hat, in das Leiden, in das Sterben.
00:07:04: Das muss man immer dazu sagen.
00:07:06: Also die Bewunderung der Welt war ja und auch die Verblüffung der Welt.
00:07:10: damals, dass die Ukraine nicht nur durchhält, sondern alles mobilisiert und dass die Rechnung von Putin nicht aufging.
00:07:18: Und dann hat was so gerade sagt, das ist das Bild von der Welle, das trägt eine Weile und es gibt diesen zynischen Gedanken, zynisch, vielleicht ist er einfach nur ein realistischer, harter Gedanke, dass die Besten zuerst sterben, die Freiwilligen, die Starken, die tollen Soldaten, die man hat, die die ersten sind, die in den Kampf gehen und dass man später alles zusammen kratzen muss, was noch da ist.
00:07:42: Und wir haben ja vorher kurz darüber gesprochen, dass man auch die älteren, längst die älteren an die Front schickt.
00:07:50: Ich möchte kurz sagen, was das Buch betrifft, es gibt sind sechzehn Beiträge.
00:07:54: Einige haben einen sehr literarischen Charakter, sehr bildhaft, sehr persönlich auch.
00:07:58: Und wir werden über ein paar von denen sprechen, über die Beiträge, die wir nicht sprechen können, weil es einfach zu viele wären.
00:08:06: Ich habe eher rausgelassen die Ich sage mal militär theoretischen, strategischen, geopolitischen Sachen, hervorragende Beiträge über die Wichtigkeit der Schwarz-Mehr-Region von Wilfried Ilge oder Widerstand und Terror in Lukaschenkus-Aufmarsch-Gebiet von Ingo Petz, dann das Interview mit Heiditalia Vini.
00:08:27: oder den Beitrag von Angelika Nussberger.
00:08:29: Das lasse ich mal raus, weil es eben weniger um die persönlichen Dinge geht.
00:08:33: Wir werden über eine Handvoll Beitrag gesprochen.
00:08:35: Ich würde ganz gern mit deinem anfangen.
00:08:38: Kannst du, bevor du gleich uns ein Stückchen daraus liest, sagen, wie hast du den geschrieben, in welchem Bewusstsein war es schwer, einen Anfang zu finden?
00:08:48: Der Text beginnt mit dem Wort Ermittlungskrieg.
00:08:52: Ich glaube, das hat ... Ich habe versucht, mich selbst aus der Distanz zu betrachten und gedacht, wenn ich schon das spüre und eigentlich sehr pessimistisch in die Zukunft blicke und fast keine Hoffnung habe und nur das Schlechte beobachte.
00:09:16: Aber dieser Zustand ist auch ein Kampffeld oder ein Objekt.
00:09:25: in diesem Krieg.
00:09:26: Also dieser Zustand ist Teil dieses Krieges.
00:09:29: Und deshalb muss ich das in Frage stellen, auch wenn ich mir keinen anderen Zustand im Moment vorstellen kann.
00:09:39: Und ich habe auch mich gefragt, was ist noch zu sagen?
00:09:47: Und was ist wichtig zu sagen?
00:09:49: Ist es wichtig über das Leiden zu sprechen, über ganz viele Geschichten, was inzwischen passiert ist, wer gestorben ist und was im Land eigentlich passiert.
00:10:03: Und das spreche ich auch kurz an, diese Dynamik der Macht und der Beziehung zwischen der Zivilgesellschaft und der Regierung in der Ukraine.
00:10:12: Also was ist wichtig?
00:10:14: Und da dachte ich, Ich weiß nicht, ob enthusiastisch ein richtiges Wort ist, aber man muss weitermachen.
00:10:22: Leidenschaft?
00:10:22: Und
00:10:22: man muss politisch sprechen, ja.
00:10:26: Und die Leser und Leserinnen des Buches politisch mit reinnehmen in die Texte, die ihr...
00:10:33: Ja, und ich finde das wirklich großartiger an dem Band, den du mit Katharina Rabe, der Lektorin für Osteuropäische Literaturen bei Soekamp, gemacht, ist ja nicht der erste, den ihr zusammen macht und sie hat ja wirklich auch von Anfang an.
00:10:48: Die war ja auch im Studio vor knapp vier Jahren.
00:10:52: Ich finde die Zusammenstellung beeindruckend, weil sie sowohl das Emotionale, das gesellschaftliche, die Trauerzeremonien, die Psychotherapie, das politische, das du angesprochen hast, weil alles das vertreten ist und weil es zeigt, dass der Krieg eben sehr viele Gesichter hat und dass wir eigentlich keines auslassen dürfen.
00:11:15: Zur selben Zeit zeigen die Texte auch eine enorme Widerstandskraft und das muss man unbedingt dazu sagen, denn wenn ein Krieg so lange dauert und zu einem Nachrichtenbild und einem Nachrichtentext geworden ist, den wir seit bald vier Jahren kennen, dann muss man immer auch mit dem Überdruss der Menschen rechnen, der Gleichgültigkeit dem sich abwenden.
00:11:37: Es ist auch wichtig bei diesem Buch, glaube ich, zu schauen, was genau ein langer Krieg bedeutet.
00:11:45: Und das ist etwas, was dieses Buch von unserem ersten Bahn unterscheidet.
00:11:50: Da war alles neu, schockierend und man sollte nur Zeugenschaft.
00:12:00: zeigen oder Raum geben für die Zeugenaussagen der Autorinnen und Autorinnen, die fast alle selbst betroffen waren auf unterschiedliche Weisen von diesem Krieg.
00:12:16: Und in diesem Buch sehen wir, wie sich die Menschen in der Ukraine vor allem, in der Zeitlichkeit dieses langen Kriegs organisiert haben oder wie sie ihren Raum, ihren Denkraum heute gestalten.
00:12:37: Und das ist, glaube ich, interessant und in diesem Sinne kann dieser Untertitel, die Zukunft der Ukraine, auch verstanden werden.
00:12:47: Es geht um eine Vision, die wie unsere Zukunft aussehen kann.
00:12:55: Unsere Zukunft, die wir Auf irgendeine Weise doch teilen, auch wenn wir das jetzt...
00:13:03: Teilen mit Russland.
00:13:04: Das ist auch gemeint, oder?
00:13:06: Der geteilte Horizont, wenn ich das mal so sagen darf, da es Nachbarländer sind, es bleiben ja
00:13:13: Nachbarn.
00:13:14: Es ist interessant.
00:13:15: Wir wollten einen russischen Autor haben.
00:13:20: Also nicht einfach russischen Auto.
00:13:22: Einen Konkreten, der aber aus gesundheitlichen Gründen nicht geschrieben hat, um so eine Bestandaufnahme zu machen.
00:13:31: Was ist mit der russischen Gesellschaft überhaupt los?
00:13:36: Und was sind Ihre Chancen für die Zukunft oder die Möglichkeiten?
00:13:39: Was sind die Aufgaben, die zu tun sind?
00:13:46: In diesem Buch nicht funktioniert.
00:13:48: Aber beim geteilten Horizont gibt es ja diese Doppelbedeutung.
00:13:53: Also etwas Gemeinsames und etwas
00:13:55: Gebrochenes,
00:13:56: getrenntes.
00:13:57: Und das funktioniert auch ganz schön in ukrainischer Sprache.
00:14:01: In Englischer zum Beispiel nicht.
00:14:03: Da ist Share und Divide.
00:14:06: Vollkommen richtig.
00:14:06: Und ich habe den Titel natürlich auch so.
00:14:09: Auch vergesse ich nicht, dass der Vorgängerband die Gegenwart der Ukraine hieß.
00:14:14: Und das, was du gerade beschrieben hast, war ja tatsächlich, das war das jetzt und diese aufwühlende Situation des Krieges und jeder muss damit umgehen und jeder wird auch persönlich, weil jeder Geschichten zu erzählen hat.
00:14:27: Ich könnte vielleicht noch kurz ergänzen zu diesem Untertitel.
00:14:32: Anfänglich dachten wir an die geteilte wirklich konstruktive Zukunft, wo wir etwas aufbauen, auch im Sinne der europäischen Integration der Ukraine, dass die Ukraine auch im europäischen Imaginären präsenter ist und alle Erfahrungen, die diese Gesellschaft jetzt durchmacht.
00:14:54: Aber mit der Zeit, wir sehen, der Krieg ist nicht zu Ende, er hat eine ganz andere Dynamik, der ist sehr brutal nach wie vor, aber diese Zukunft bleibt.
00:15:05: Das einzige, was wir jetzt am Horizont sehen, ist eher so ein Kriegszustand oder ein Ausnahmezustand, der sich natürlich ausweitet, der nicht mehr so auf dem ukrainischen Territorium konzentriert
00:15:23: bleibt.
00:15:26: Und das ist eher die Perspektive.
00:15:28: Aber natürlich, wenn wir Das als Zukunft bezeichnen, meinen wir, das sind die Themen.
00:15:36: Da sind die Texte, die uns etwas erzählen können, damit wir unsere Zukunft vielleicht besser gestalten.
00:15:44: Also sie muss nicht unbedingt kriegerisch sein.
00:15:47: Aber wir müssen uns engagieren, damit sie nicht so sein wird.
00:15:51: Und das muss man sehr ernst nehmen.
00:15:52: Und so wird es auch in diesem Buch ernst genommen.
00:15:56: Das hält es sehr präsent, dass es eine Aufgabe gibt?
00:16:00: In der Zukunft, es gibt auch eine Aufgabe in der Gegenwart, nämlich durchhalten, Wege finden, weiterzumachen und den Mut nicht zu verlieren.
00:16:07: Bevor wir gleich auf einzelne gehen, möchten wir bei deinem Text bleiben, würdest du uns mal zwei Seiten aus deinem Text, der den Titel trägt, nebeneinander vorlesen?
00:16:19: Ja, mache ich gerne.
00:16:23: Es ist ein Auszug aus der Mitte.
00:16:28: Als ich einmal eine Berliner Straße entlang ging, blickte ich auf den Boden und erinnerte mich plötzlich an die leuchtend schwarzen Flecken im Garten meines Vaters in der Ukraine.
00:16:41: Ich hatte ihm damals etwas vom Kompost erzählt und das ich ihm Würmer schenken wolle, worauf er antwortete, er sei nicht nötig.
00:16:51: Hier wächst doch alles auch so.
00:16:53: Sieht ihr doch nur mal diese Erde an.
00:16:56: Sie war tatsächlich tiefschwarz.
00:16:59: Die Schwärze dieses Schwarzerdebordens ist für mich ein Bild meines Zuhauses im Krieg, des Zuhauses, das ich verlassen habe, wobei ich auch diejenigen verstehe, die weiter dort leben.
00:17:14: Wie viele andere, die weit weg vom Zuhause und oder dem unmittelbaren Krieg sind, denke ich ständig daran, lese alles, was mit meinem Zuhause zu tun hat.
00:17:25: um mental verbunden zu bleiben.
00:17:28: Ich weiß, dass manche Menschen durch Videos von Thronenabschüssen beruhigt werden.
00:17:33: Mein Vater war beeindruckt von einem Video, wie sich ein von allen verlassener Soldat gegen einen feinlichen Angriff verteidigt.
00:17:42: Die Bilder des Krieges sind in die Vorstellung eingedrungen und helfen, die eigenen Erfahrungen und Vorstellungen von sich selbst durchzuspielen.
00:17:53: Mein Vater lebt allein.
00:17:54: und führend sein kleines Unternehmen ehrlich, was in der Ukraine nicht einfach ist.
00:18:00: Seine Mitarbeiter verstecken sich vor der Mobilisierung und kommen nicht zur Arbeit.
00:18:05: Er glaubt, dass der Krieg enden wird.
00:18:10: Da ich sehr selten zu Hause bin, träume ich von Drohnen und Raketen ohne Ton, als wäre ihre Füße hier, so wie meine dort, nur eine Unvollständige.
00:18:22: Vor zwei Jahren wachte ich mit dem Gedanken auf, dass die Ukraine bald zu einer dystopischen Würste werden würde, wo alle hinfahren, die zur Abwechslung mal ein bisschen kämpfen wollen.
00:18:35: Sie wird zu einem Kriegsreservat, einem großen Schießplatz.
00:18:39: Die Bewohner sind dem Untergang erweit.
00:18:42: Ich wünsche mir, dass diese Worte ein Hirngespinst bleiben.
00:18:48: oder eine Projektion ohne Verwirklichung für diejenigen, die die Ukraine in ihrer Bereitschaft gegen Russland zu kämpfen, unterstützen und bereit sind, Geld, Technik und Waffen zu geben, nur damit die russische imperiale Aggression innerhalb unserer Grenzen bleibt.
00:19:07: Ich weiß nicht, ob jemand von diesen Unterstützern an den Sieg der Ukraine glaubt und um das Leben der Ukraine bankt.
00:19:16: aber bestimmt nicht glauben möchte, selbst zur Armee werden zu müssen.
00:19:21: Die Intensität der Kampfhandlungen in der Ukraine ist derart hoch, dass sich eine hervorragende Möglichkeit bietet, westliche Waffen zu testen.
00:19:32: Und die Entwicklung von Drohnen und die Investitionen in sie sind so rasant, dass ich nicht einmal Zeit habe, diesen Satz zu beenden.
00:19:41: Und unsere Leute sind ja offensichtlich so mutig und standhaft, dass sie den Ermüdungskrieg immer weiterführen können.
00:19:51: Die Projektion des Schiffsplatzes wird von beiden Seiten befördert.
00:19:57: Vitaly Portnikov, einer der bekanntesten ukrainischen Intellektuellen, vergleicht die Ukraine mit einer möglichen Zukunft mit der Nachtwache an der Mauer in der Fantasy-Serie Game of Thrones.
00:20:11: Die Mauer trennt sozusagen die Westeros von den Zombies.
00:20:16: Denn Ukraine ankommt in dieser rassistischen Metapher eine verteile Rolle zu, die westlichen Werte in Anführungsstrichen zu verteidigen und für sie zu sterben.
00:20:28: Und unsere Kinder müssen in der Schule lernen, FPV-Dronen zusammenzubauen.
00:20:35: Die Ukraine und Europa werden von einem militaristischen Futurismus erfasst.
00:20:42: Ohne eine klare Vorstellung, wie dieser konkrete blutige Krieg beendet werden kann, der in Echtzeit jedes Leben auf ukrainischem Boden zerstört.
00:20:55: Dankeschön.
00:20:58: Das berührt mehrere ganz wichtige Punkte.
00:21:02: Ich möchte mal mit dem technischen beginnen.
00:21:07: Die FPV, Drohne First Person View, das musste ich mir auch erklären lassen.
00:21:13: Es gibt einen Beitrag in diesem Buch von Juri Rezina, ein Luftkrieg zum Mitmachen, ein wirklich unfassbarer Titel, ein harter Titel, Luftkrieg zum Mitmachen, wo er die Mechanismen des Drohnenkrieges beschreibt.
00:21:28: Ich halte es auch für sehr wichtig, dass man diese konkret militärtechnischen Lachen mal in so ein Band bringt.
00:21:35: Das heißt, der Charakter des Krieges hat sich in den Jahren einfach wahnsinnig verändert.
00:21:39: Der Charakter der Verletzungen, die Verwicklung der Industrie, ob es Iran ist oder ob es China wäre, auch immer diese Drohnen baut.
00:21:47: Ukraine selbst hat natürlich auch angefangen, Drohnen zu basteln, Abwehrgeschichten.
00:21:53: Und ich habe von einem Sanitäter, einem Rettungsanitäter gehört, dass die in den Sanitätswagen unbedingt diese, sind das Fertzerrer oder Entzerrer?
00:22:02: Nein, die brauchen diese... Die Signalzerstörer, damit die von Drohnen nicht erfasst werden können.
00:22:08: Diese Signaldinger, deren Namen mir gerade nicht einfällt, das ist peinlich.
00:22:13: Bei uns heißen sie
00:22:15: Rap.
00:22:17: Ich
00:22:19: kann das auch nicht
00:22:21: entziffern.
00:22:22: Aber die Folge von diesen Dingern ist, dass das im Auto wiederum wegen der Maschinen, die sie tragen, gefährlich wird, weil die gesundheitsschädlich sind.
00:22:30: Das ist auch wieder ein Problem.
00:22:31: Mein Gott, das ist ja der kleinste Schaden für gesundheitsschädliche Kinder.
00:22:35: Genau,
00:22:35: und das habe ich mir erzählen lassen.
00:22:37: Also alles klingt fürchterlich.
00:22:39: und der Beitrag von Yuri Rezina Der fragt im Laufe dieser Seiten dann, wann wird die erste komplett autonome Drohne entwickelt werden, deren Einsatz auf den Menschen verzichten kann.
00:22:51: Diese Vision ist gar nicht fern, ja, mit künstlicher Intelligenz und allem.
00:22:57: Und dann eben so eine Rechnung, wie also Lukaschenko wird da zitiert aus Belarus.
00:23:06: Ein Soldatenleben ist fünfmal so teuer wie eine Drohne.
00:23:10: Das heißt, man kalkuliert tatsächlich Kosten nutzen, Zerstörungsnutzen, was kostet es, ein Menschenleben zu treffen.
00:23:18: Und dann schließt eben der Artikel, dass eine Drohne eine zutiefst zynische Waffe ist, weil es eben viele, viele Tausend sind, mit denen das Land überzogen wird.
00:23:26: Das hat den Charakter des Kriegs natürlich entscheidend verändert.
00:23:29: Und es ist ganz sicher so, und davon machen wir uns keinen Begriff.
00:23:34: dass die Videos, die Bilder, die geteilt werden in der Ukraine über die Opfer, immer auch den Charakter dieses Drohnenkrieges zeigen.
00:23:41: Und das spiegelt sich auch in deinem Text.
00:23:42: Du erwähnst es auch.
00:23:45: Ich möchte dein Gedanken kurz aufnehmen, die westlichen Werte verteidigen.
00:23:50: Das wird in der Ukraine getan und der Westen lehnt sich zurück.
00:23:55: Das ist die Wirklichkeit im vierten Jahr, oder?
00:23:59: Genau, deshalb habe ich das in Anführungsstrichen geschrieben.
00:24:02: Ich finde diese Aussage, ehrlich gesagt, schon fast obstruction, wenn man das heute sagt.
00:24:09: Denn um welche Werte geht es, wenn so ein Krieg zugelassen wird überhaupt?
00:24:15: Ja, und wenn man bevorzugt ... in sehr langfristiger Perspektive, Verteidigung zu planen usw.
00:24:27: und das irgendwie innerlich für sich zu lassen, dass in der Ukraine aber jeden Tag Städte bombardiert werden, Menschen sterben.
00:24:38: Und noch zurück zu diesen Drohnen.
00:24:41: vielleicht, was Jury Hrysina auch sehr gut beschreibt, ist eigentlich die Rolle dieser Drohnen oder, ich weiß nicht, ihre Genese überhaupt, dieser Entwicklung, wie sie mit der Gesellschaft verbunden ist, mit der Zivilgesellschaft und auch mit dem prekären Zustand der ukrainischen Verteidigung sehr oft.
00:25:12: Anfänglich waren das Freizeitronen, oder wie nennt man das, die dann umgebaut wurden.
00:25:19: Zum Spiel.
00:25:19: Fotos machen,
00:25:20: Filmen.
00:25:21: Eben, ja.
00:25:22: Und da die Ukraine eine sehr lange Zeit keinen Zugang hatte zu guten teuren Waffen.
00:25:30: Auch wenn sie das hatte, war das manchmal so, dass die Technik so wichtig war und die Partner so besorgt waren, dass sie irgendwie kaputt geht oder in falsche Hände gerät, dass man mit der wirklich ganz so fertig umging.
00:25:45: Also es ist ja eine kapitalistische Geschichte.
00:25:49: Ukraine und ukrainische Gesellschaft hatte sehr, sehr wenige Ressourcen, mit denen sie sich schützen konnte.
00:25:57: Daraus kommt diese ganze Dronengeschichte.
00:26:00: Aber der Krieg hat so eine wahnsinnige Dynamik, dass plötzlich ist es jetzt so eine Superwaffe, die überall diskutiert wird und große, ja auch US-amerikanische Firmen investieren sie sehr gerne in diese Technologien.
00:26:15: Und was auch interessant ist, was auch sehr viele Experten sagen oder die Menschen, die bei uns diese Dronen Produktionen begleiten, dass die Ukraine sehr erfinderisch sind,
00:26:32: was
00:26:32: auch aus der Not rausgeht.
00:26:38: Aber die Russen können das sehr schnell in die Großproduktion verwandeln.
00:26:44: Sie kopieren das.
00:26:46: Sie schauen ab, sehr aktiv.
00:26:48: Sie lernen auch sehr schnell und sind aber im Stande durch ihre Maschine, auch Kriegsmaschine, das massenhaft zu produzieren.
00:27:00: Also auch bei dieser Drohnenmilitarisierung können wir sehen, wie sich die Gesellschaft und der Staat da widerspiegeln.
00:27:14: Absolut,
00:27:14: das ist auch eine kapitalistische Geschichte und natürlich einer Kriegswirtschaft wie in Pudins Russland.
00:27:22: gibt es kaum Grenzen, was die Menge angeht.
00:27:25: Ja, es ist eine so gewaltige Zahl sowohl von Menschen, wie auch von Materialien, die da eingesetzt werden können.
00:27:32: Ich erinnere mich an eine Sache, das möchte ich jetzt kurz anfügen, weil es ein Blick in eine andere Zeit ist.
00:27:37: Auch wenn es seit twenty-fourzehn sozusagen einen Krieg gibt, den man in Westeuropa ja lange nicht wahrhaben wollte, der auch gar nicht so recht zur Kenntnis genommen wurde, obwohl die Ukraine ihn immer ernst genommen hat.
00:27:48: Und es gab auch einzelne Stimmen.
00:27:51: die sehr gewarnt haben, ab dem Jahr.
00:27:53: Sie haben gesagt, hier verändert sich etwas fundamental.
00:27:56: Ihr habt es nur noch nicht gemerkt.
00:27:58: Ich weiß, dass wir, als wir uns im Jahr zwei Tausend achtzehn oder neunzehn in Berlin zum Kaffee trafen und du vom Maidan erzählt bist.
00:28:08: Es war im Grunde ohne aktuellen Anlass.
00:28:10: Du warst in Berlin für einige Monate und wir haben einen Kaffee getrunken und wir haben viel erzählt.
00:28:15: Und du sprachest, glaube ich, von Ikea, der bald nach Kiev kommt.
00:28:19: Kann das sein?
00:28:20: Oder habe ich mich, also ich glaube, dass da so irgendwie ein Gerücht gegen bald kommt Ikea.
00:28:25: und das hast du als kleine kapitalistische Geschichte erzählt.
00:28:28: Und sieben Jahre später erzählst du die schreckliche kapitalistische Geschichte von der Entwicklung der Drohne und neuen Märkten, die mit der Drohne verbunden sind und dadurch eine verheerende Folge für den Krieg als solchen.
00:28:41: Ich möchte auf einen Text zu sprechen kommen von Yurko Brorasco, einem Mann, der sehr vielfältig ist, der Autor, Übersetzer, Psychoanalytiker ist und den ich vor gut drei Jahren in LWIF in Lemberg kennengelernt habe.
00:28:57: Wir haben damals lange gesprochen und er hat mich schon nach wenigen Monaten Krieg, da war der Krieg gerade mal vier Monate alt, hat er mir erzählt, wie er Schöpfter sei von der zusätzlichen Arbeit, die natürlich auch auf die Therapeuten zukommt durch den Krieg.
00:29:14: Und er hat davon berichtet, Und er hat ja einen Beitrag bei euch geschrieben in dem Buch, der absolut berührend ist, wo er einzelne Fallstudien natürlich mit erfundenen Namen erzählt von Schicksalen, Menschen, die bei ihm in Therapie sind.
00:29:29: Und da ist so viel individuelle Größe auch dran, neben der Trauer und der Bitterkeit und dem Verlust, der immer eine Rolle spielt.
00:29:38: Das ist einer der großen Texte in diesem Buch.
00:29:42: Und ich möchte... Er macht die Aussage, dass seit Beginn des Krieges er keinen Tag ohne Arbeit kennt, weil er auch die Verpflichtung hat.
00:29:50: Er muss sozusagen an seiner Front sein.
00:29:53: Und ich weiß gar nicht, wann ihr euch zum letzten Mal gesehen habt oder gesprochen habt.
00:29:57: Habt ihr mal irgendwann?
00:29:58: Oder die Autoren, die hocken dort und ihr habt
00:30:01: per
00:30:01: Telefon.
00:30:02: Ich habe ihn einmal auf der Leipziger Buchmasse getroffen, nur kurz.
00:30:08: Und es war so, lass uns treffen in einer Stunde oder so hier und dann hat es nicht geklappt.
00:30:15: Aber ich habe schon gemerkt, dass diese Traurigkeit, sie war zu spüren und das kann ich gut verstehen.
00:30:24: Und ich finde diesen Text auch sehr interessant.
00:30:27: Er schreibt einerseits als Autor, aber auch als Psychoanalytiker über ... Ja, also eigentlich ist es seine Interpretation, also bei diesen Texten, also macht er selbst sozusagen Analyse, was dieser Krieg und alle diese Geschichten, die er absorbieren muss, was das mit
00:30:51: ihm macht und
00:30:54: wie er das verarbeitet.
00:30:55: Wo kann das hin?
00:30:56: Ja, und was ich, also was er auch beschreibt und dann auch in einem Sats ganz klar sagt, dass dieser Krieg total ist, in dem Sinne, dass es keinen Platz im Inneren gibt, wo er, ja, denn er nicht durchtrinkt.
00:31:17: Und das bezieht sich auch auf die Zeitlichkeit.
00:31:21: Es ist schwer zu sagen, wann der begonnen hat, denn diese Erwartungen, die Albträume, die seine Patientinnen hatten, waren es schon kurz davor,
00:31:31: also
00:31:31: dieses Gefühl, also vor der großen Invasion.
00:31:34: Ja natürlich, weil es schon acht Jahre waren, einer Spannung bis hin zu ganz konkreten Toten und Verlustengebietverlusten sowieso.
00:31:44: Da uns die Zeit ein bisschen davonrennt, möchte ich auf zwei Texte unbedingt noch zu sprechen kommen.
00:31:49: Einen aus dem ich selber auch jetzt sachlich wahnsinnig viel gelernt habe, nämlich von Xenia Marchenko.
00:31:55: Anatomie des Abschieds, sie nimmt uns mit eigentlich auf einen Rundgang durch die Trauerkultur, der Gräber, der Trauerriten in der Ukraine und der veränderten Riten durch den Krieg.
00:32:07: Und sie erzählt davon, dass, also ich zitiere mal einen Satz, der mich berührt hat, die Normalisierung des Krieges, in Anfangszeichen, von der in den Medien die Rede ist, bedeutet ein Leben mit der Angst zu sterben und ein Leben mit den Toten des Krieges.
00:32:24: verstärkt durch einen wichtigen Aspekt des gesellschaftlichen Alltags die permanente kollektive Trauer.
00:32:32: Und sie geht dann auf den Grund auf die Friedhöfe und erzählt ein bisschen welch, was sich auf den Friedhöfen verändert.
00:32:38: Und da gibt es wirklich Dinge, die zu lernen sind von uns.
00:32:42: Ich wusste nicht, dass seit Beginn des großen Krieges, des Großkrieges, Es ist eine Vorgabe des ukrainischen Instituts für nationale Erinnerung gibt, dass Militärangehörige separat von Zivilisten beerdigt werden.
00:32:56: Ich habe mich dann aber gefragt, was ist denn mit Familien, die wollen zusammenliegen?
00:33:00: Wie soll das denn gehen?
00:33:03: Bei der ersten Überlegung habe ich mich gefragt, wie kann das gehen?
00:33:06: Ist das gut?
00:33:08: Das spricht sie auch an und stellt eine weitere wichtige Frage.
00:33:13: Wie werden wir diese Menschen?
00:33:17: Wir werden uns an sie erinnern, sind es Helden des Krieges, sind es Soldaten oder waren es wichtige Zivilisten, Bürger dieses Landes, die eigentlich im zivilen Leben einen Beruf, eine ganz andere Identität hatten.
00:33:33: Und das ist wirklich eine offene Frage und da wird uns klar, dass die Ukraine eigentlich nicht nie glaube ich, in unserer kurzen Leben, also in diesen dreißig Jahren, also der Unabhängigkeit, eine große professionelle Armee hatten.
00:33:57: Also es waren, es sind heute gestrige Zivilisten, die jetzt kämpfen.
00:34:04: und Was sind dann die Gedenkpraktiken?
00:34:10: Was sind die Strukturen des Gedenkens und des Sprechens über diese unzähligen Opfer und über diese Menschen?
00:34:20: Sie fährt dann fort, dass sie auch erzählt von der sogenannten Allee des Rums.
00:34:24: Das habe ich gelernt.
00:34:26: Die Allee des Rums wird auf den Friedhöfen angelegt.
00:34:29: Das ist also eine eigene Allee, wo dann die Gefallenen liegen.
00:34:33: Und in der Stadt Tcherkassi, die sich hier zitiert, habe sich innerhalb eines Jahres diese Allee um das Vierfache vergrößert.
00:34:42: Und die Inschrift, ich zitiere, das Leben für eine freie Ukraine gegeben.
00:34:47: Und das berührt natürlich die Frage, die du stellst.
00:34:49: Rolle, in welcher Rolle erinnert.
00:34:52: die Nachwält sich an diese Toten.
00:34:54: Und das ist eine, wie ich auch finde, eine offene.
00:34:56: Es gibt die Anregung, von der sie schreibt, von der Marcenko schreibt, nämlich die Schaffung eines einheitlichen staatlichen Archivs für die Gefallenen der russischen Invasion.
00:35:06: Also ein Archiv wäre, dass man die Namen aufbewahrt, dass man sie zusammenführt.
00:35:11: Und ich erinnere mich an diese Idee, Das Gedenken ist natürlich auch durch die Fotoreien, die ich in Lemberg gesehen habe, an bestimmten Orten, die natürlich jetzt viel größer geworden sind, weil es viele Methode gibt.
00:35:25: Genau, ich frage mich überhaupt, und das ist wie gesagt wiederum, ja, Horizont der Zukunft, was diese Trauerkultur eine Rolle haben wird, in der Nachkriegsgesellschaft und wie die Trauer überhaupt eine neue Kollektivität erzeugt.
00:35:45: Ja, die Gesellschaft neu strukturiert.
00:35:49: wissen auch, dass diese Bilder, diese Fotos, von denen du erzählst, es gibt ja auch in vielen Zentren der Städtchen oder der Dörfer so kleine Fotoausstellungen ganz zentral mit Fotos von gefallenen Soldaten und gestern ja Zivilisten, Mitgliedern dieser Gemeinschaften und Sie verlassen sozusagen den Friedhof.
00:36:19: Sie sind nicht mehr da, nicht mehr zu diesen intimen, weiß ich nicht, trauer Interaktion der Angehörigen mit dem Gefallenen.
00:36:31: Sie sind im Zentrum eines öffentlichen Raus.
00:36:36: Sie sind ein bisschen vergesellschaftet.
00:36:39: Eben.
00:36:39: Und was macht das mit Libendigen?
00:36:41: Also das ist, glaube ich, wirklich ein sehr komplexes Thema und was ich ganz schön finde bei Xenia Marchenko, dass sie eigentlich dieses Gespräch beginnt.
00:36:54: Absolut.
00:36:54: Ja, es waren auch ganz tolle Texte.
00:36:55: Und dass sie es begleitet.
00:36:58: Und sie öffnet das Gespräch erstmal darüber, weil darüber hatte ich so konkret nicht nachgedacht.
00:37:03: bei der Schierenzahl von Tuten.
00:37:05: Da uns jetzt die Zeit noch schneller davon rennt, möchte ich noch ganz kurz auf Katja Petroskaya zu sprechen kommen, die auch hier im Podcast zu Gast war vor einigen Monaten mit ihren Bildbetrachtungen, als ob es vorbei wäre, hieß der Band, den auch Katarina Rabe betreut hat.
00:37:22: Und ich möchte nur einfach sagen, Katja Petroskaya hat hat ukrainisch richtig gelernt.
00:37:29: Und sie hat einen Text auf ukrainisch geschrieben, wo sie vorher nur Deutsch geschrieben hat.
00:37:33: Und das fand ich einfach bei.
00:37:35: das Sprachthema ins Zentrum gerückt wird, fand ich so toll.
00:37:40: Weil Sprache ist ja alles, Sprache ist Identität, Sprache ist wie Künstler sich ausdrücken.
00:37:47: Und sie nennt diesen Artikel, diesen Essay, ukrainische Stunden, Notizen einer Leserin.
00:37:54: Und sie berichtet auch von Erlebnüsten mit Erzählungen aus der ukranischen Literatur.
00:37:59: Ganz toll.
00:37:59: Die Erzählungen sind auch in ihrer Nacherzählung sehr schön.
00:38:02: Und sie berichtet von ihren Sprachlehrerinnen, die sie gehabt hat.
00:38:06: Fand ich wirklich toll.
00:38:08: Ja, sie hat dort auch ein sehr starkes Reisemotiv, Eisenbahnmotiv.
00:38:16: Und sie begibt sich praktisch, ja, ich weiß nicht, irgendwo hin, was sie... als Heimat bestimmt beschreiben kann, aber als Heimat, die sie auch entdeckt.
00:38:33: Und was auch, was ich auch interessant finde, vielleicht im anthropologischen Sinne, wie der Krieg die Perspektive, den Blick bestimmt, wie der Krieg ihre Art, die Texte zu lesen und zu interpretieren auch beeinflusst und wie er vergegenwärtigt wird durch die Lektüre der Texte, wo es eher um den ersten Weltkrieg geht zum Beispiel.
00:39:04: Also sie geht praktisch einhundert Jahre zurück.
00:39:09: und entdeckt für uns die ukrainische Literatur.
00:39:13: Und es sind natürlich auch einige Texte, wo es gar nicht um Krieg geht, sondern um private Dinge, um liebes Geschichten oder um verhinderte Liebe.
00:39:20: Und nein, es klang einfach in der Nacherzählung auch nach sehr, sehr schönen Erzählungen.
00:39:25: Das jetzt nur als literarischer Akzent.
00:39:27: Liebe Katharina, wir neigen uns hier wirklich dem Ende zu und deswegen wünsche ich euren Buch viel Glück, dass viele es lesen.
00:39:37: Und dass nicht mehr viele Bücher nötig sein mögen.
00:39:41: Aber ich habe dir vorhin angehört, dass du weißt nicht genau, wie viele noch nötig sein werden.
00:39:46: Ihr werdet weitermachen damit.
00:39:47: Erst einmal Glückwunsch zu diesem tollen Band.
00:39:50: Und vielen Dank für unser Gespräch.
00:39:53: Vielen Dank.
00:39:54: Nur nötiger sind Menschen, die sich aktiv gegen diesen Krieg einsetzen.
00:40:00: Du hast recht.
00:40:08: Herausgegeben von Katharina Mischenko und Katharina Rabe ist im Surkamp-Verlag erschienen, hat dreihundert dreißig Seiten und kostet dreiundzwanzig Euro.
00:40:16: Übersetzt von Lydian Nagel, Anseln Bühling und Philipp Goll.
00:40:20: Die heutige Folge des FAZ Bücher Podcasts wurde produziert von Kevin Gremmel.
00:40:25: Wenn Sie uns schreiben möchten, unsere E-Mail lautet Bücher-Podcast et FAZ.de Bücher mit Ue.
00:40:33: Am kommenden Sonntag erwartet sie hier im Bücher-Podcast eine Sonderfolge aus dem Literaturhaus Frankfurt.
00:40:40: Dort war am fünfundzwanzigsten September Nelio Biedermann zu Gast mit seinem Roman Lazar.
00:40:46: Es moderierte Melanie Mühl.
00:40:48: In vierzehn Tagen ist dann wieder Kai Spanke mit Sachbüchern dran.
00:40:51: Wir hören uns wieder, sofern Sie mögen, am siebten Dezember.
00:40:55: Bis dahin, machen Sie es gut.
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