Annekathrin Kohout spricht über die Reaktionskultur in den sozialen Medien

Shownotes

„Wir User reagieren, bevor wir denken. Wir liken, bevor wir fühlen. Wir empören uns, weil es nun mal alle tun. Die tägliche Masse an Informationen erscheint oft belanglos und überfordernd zugleich. So, als wäre man nur noch im Reaktionsmodus – unfähig, wirklich autonom und gestalterisch zu handeln.“ Die Kulturwissenschaftlerin Annekathrin Kohout stellt diese Diagnose in ihrem Buch „Hyperreaktiv“, um sodann die sich daraus ergebenden Folgen zu erörtern: Reaktionen ziehen weitere Reaktionen nach sich, was die Sichtbarkeit eines Posts erhöht – und zu mehr Reaktionen führt. Differenzierte und ausgewogene Argumente provozieren jedoch nicht das allenthalben gewünschte Feedback. Empörung und Angst dagegen schon.

Ein kleines Ereignis, das vor zwanzig Jahren eventuell nur für die Regionalpresse interessant gewesen wäre, kann Kohout zufolge „binnen Stunden globale Protestwellen auslösen, kulturelle Trends verbreiten sich in Echtzeit über Kontinente hinweg. Diese Dynamik wird durch Algorithmen systematisch verstärkt, die gezielt reaktionsintensive Inhalte priorisieren.“ Was bedeutet das für das eigene Verhalten in den sozialen Medien? Wie kann man online einen produktiven Austausch gestalten? Und warum hat Annakathrin Kohout eigentlich eine riesige Screenshotsammlung? Antworten gibt es in dieser Folge des Bücher-Podcasts.

„Wem glauben wir denn nun, einem Forscher oder einem Influencer?“: Kai Spankes Besprechung von Annekathrin Kohouts „Hyperreaktiv“


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Transkript anzeigen

00:00:07: In der digitalen Welt sind Reaktionen zur primären Form der Kommunikation geworden.

00:00:11: Wir liken, teilen, kommentieren und bewerten, ständig überall und meist innerhalb von Sekunden.

00:00:17: Nicht mehr der Inhalt selbst, sondern die Resonanz auf den Inhalt bestimmt, was sichtbar wird, welche Debatten eskalieren und welche Narrative dominieren.

00:00:24: Anne-Kathrin Kohut hat von diesem Befund ausgehend ein ganzes Buch über den Stellenwert der Reaktion in den sozialen Medien geschrieben.

00:00:32: Es heißt hyperreaktiv und bietet nicht nur eine genaue Analyse, sondern auch immer wieder einen selbstkritischen Blick aufs eigene Verhalten als Userin.

00:00:39: Warum Online-Reaktionen eine solche Untersuchung wert sind, wollen wir nun besprechen.

00:00:43: Ich bin Kai Spanke und begrüße Anne Katrin Kohut.

00:00:46: Hallo.

00:00:46: Hallo Herr Spanke.

00:00:47: Schauen Sie, Frau Kohut, seitdem Sie das Buch angefangen haben mit einem anderen Blick auf das, was Sie online liken oder kommentieren?

00:00:56: Auf jeden Fall.

00:00:57: Schau ich mit einem anderen Blick drauf, weil ich doch ... immer viel genauer darüber nachdenke auch, warum vielleicht ein Posting in die Welt gesetzt wurde und welche Wirkung es auch bei mir erzielen soll oder welche Arten von Reaktionen es hervorrufen soll.

00:01:12: Ich glaube, ich bin sogar so ein bisschen, wie soll ich sagen, paranoid geworden in der Hinsicht, als dass ich überall nur noch Strategie sehe und nicht gleich Verschwörungen, aber schon doch sehr viel mehr darüber nachdenke, eben inwiefern Dinge ... taktisch eingesetzt werden und inwiefern auch diese Mechanismen taktisch eingesetzt werden.

00:01:34: und das haben wir vorher in dem Ausmaß glaube ich nicht so präsent und deswegen schaue ich schon sehr anders auf die sozialen Medien.

00:01:41: Können Sie uns ein Beispiel für so eine Strategie nennen?

00:01:46: Na ja, also ich glaube, man findet Beispiele überall in den sozialen Medien.

00:01:50: Ich könnte ja mal mit was Unverfänglichem anfangen, nämlich einer Influencerin, die versucht, ein Produkt zu bewerben und dann vielleicht einen bestimmten Effekt einsetzt, der uns besonders stark an das Video zum Beispiel bindet, weil sie... Ja, ein ASMR-Sound benutzt oder weil sie vielleicht, man nennt das ja immer die Hook, der erste Satz sozusagen von einem TikTok-Video, der besonders immersiv ist für die Zuschauer.

00:02:16: Also das wäre jetzt vielleicht ein unverfänglicheres Beispiel.

00:02:19: Verfänglichere Beispiele wären jetzt im politischen Bereich vielleicht zu finden, dass man ein Posting so gestaltet, dass es sehr wütend macht zum Beispiel, das nennt man ja auch ganz gerne mal Rage-Bate, also Einfangen von Wut, um möglichst viel Aufmerksamkeit und Reaktion zu generieren.

00:02:36: Und ich glaube so in diesem riesigen Spannungsfeld bewegt sich das.

00:02:39: Und ja, da vielleicht ja auch die Grundidee von meinem Buch ist, dass man in den sozialen Medien eigentlich nur dann existent ist, wenn man auch Es schafft sozusagen, selbst zu viel reagieren, aber auch viele Reaktionen hervorzurufen, ist das auch überall zu finden.

00:02:54: Also dieser Gedanke, wie kann ich möglichst viele Reaktionen mit meinen Inhalten generieren?

00:02:59: Den haben jetzt natürlich auch nicht nur professionelle sozusagen in den sozialen Medien, sondern ich glaube, wir alle denken darüber mehr oder weniger intuitiv nach.

00:03:07: Und wenn ich sage, wir alle meine ich natürlich die, die an dieser Kultur partizipieren erst mal.

00:03:13: Wobei, mein Buch natürlich auch immer sich die Frage stellt, inwiefern das etwas ist, was man ja nicht mehr nur auf den Raumsozial der Medien beschränken.

00:03:21: kann die Diagnose die Stelle.

00:03:23: Was muss denn eigentlich so ein Post mitbringen, damit sie ihn liken oder kommentieren?

00:03:27: Das kann sehr unterschiedlich sein, würde ich sagen.

00:03:29: Also auch da würde ich sagen, gibt es eine riesige Bandbreite von, ja, er muss uns natürlich direkt emotional triggern.

00:03:37: Das ist ja auch so ein Wort, was glaube ich zum festen Vokabular der Reaktionskultur gehört.

00:03:42: Das kann über Wut passieren, über Empörung, über Entsetzen, über ... diesen Gedanke vielleicht auch, wie kann ich mit meinem Posting schon direkt so eine Art Gegnerschaft inszenieren oder diese polarisierenden Themen setzen.

00:03:57: Aber es kann natürlich auch so was sein wie niedlicher Content, der einfach deshalb wahnsinnig gut funktioniert, weil wir entzückt sind und beglückt werden oder vielleicht auch mal so durchatmen können in diesem dauererregten emotionalen Zustand, in dem man sich oft befindet.

00:04:11: Also da gibt es auch so eine ganze Bandbreite eigentlich.

00:04:15: Aber ich meinte das gar nicht allgemein, sondern ganz persönlich, weil sie so reflektiert in dem Buch darüber nachdenken.

00:04:19: Also was muss ein Post mitbringen, den Sie, Anne-Kathrin Kohut, dann liken oder irgendwie kommentieren

00:04:25: oder so?

00:04:27: Ach so!

00:04:27: Oh je, also ich bin ja in meinem Buch sehr selbstkritisch mit mir und ich muss jetzt auch in diesem Podcast sehr selbstkritisch antworten.

00:04:34: Natürlich lasse auch ich mich oft verführen.

00:04:37: Natürlich denke ich wahrscheinlich noch mal mehr darüber nach, was ich like und teile als andere.

00:04:43: Aber... damit ich etwas teile, was für mich jetzt schon mal so eine sehr starke Reaktion eigentlich wäre.

00:04:49: Da muss schon viel, glaube ich, zusammenkommen.

00:04:51: Natürlich muss ich irgendwie mit dem Inhalt übereinstimmen.

00:04:55: Ich glaube, dass es eigentlich immer ein Inhalt sein muss, der seinerseits schon sehr reflektiert ist und selbstkritisch ist.

00:05:03: eigentlich eben möglichst nicht auf Gegnerschaft aus ist.

00:05:05: Also ich denke schon, dass ich ganz gut darin bin, so polarisierende Inhalte wirklich nicht zu teilen und auch nicht zu liken.

00:05:13: Manchmal schaue ich sie mir aber länger an und das ist ja eigentlich auch schon sozusagen eine messbare Reaktion, die problematisch sein kann.

00:05:18: Aber und natürlich sage ich mal im Bereich des Konsums und des Marketings, da lasse ich mich schon zu oft noch verfühlen, glaube ich im Sinne von genau klar, also Tiervideos.

00:05:30: Da kann ich nicht widerstehen, da bin ich ganz ehrlich.

00:05:34: Wäre es für Sie vorstellbar, nur noch als Autorin von Posts in den sozialen Medien unterwegs zu sein, ohne überhaupt noch zu reagieren?

00:05:42: Nein, tatsächlich nicht.

00:05:44: Das liegt natürlich auch so ein bisschen in meiner Diagnose, nämlich den Gedanken, dass Reaktionen eigentlich sogar wichtiger geworden sind als der Inhalt.

00:05:52: Und es eigentlich geradezu undankbar geworden ist, sozusagen nur Inhalte zu erstellen.

00:05:59: Das hat damit zu tun, dass in dem Moment, wo Reaktionen an Bedeutung gewinnen oder überhaupt auch diese Möglichkeit so stark besteht, dass man immer alles auch, und Reaktionen meint ja auch in Zweifel ziehen, ja, verurteilen, beurteilen, vielleicht sogar hassen kann, dass eigentlich immer alles, was man online macht, zur Disposition steht.

00:06:18: Und das ist eine undankbare Position tatsächlich, die man jetzt theoretisch als nur Autorin von Postings hätte.

00:06:25: Und insofern ... würde ich diese Aufgabe ungern erfüllen.

00:06:30: Vielleicht erklären Sie uns einmal ganz allgemein, was so interessant an Reaktion ist, dass Sie über dieses Phänomen ein ganzes Buch geschrieben haben.

00:06:39: Naja, ich glaube, ich habe einfach.

00:06:43: seit über zehn Jahren schreibe ich über Digitalkultur und ich habe irgendwie gesehen, dass mich Reaktion immer wieder in verschiedenen Kontexten interessiert haben.

00:06:52: Ich habe Aufsätze geschrieben zu Reaction Videos zum Beispiel.

00:06:56: über sogenannte Kick-off-Bilder, also warum uns, warum Bilder irgendwie zunehmend so gestaltet sind, dass man halt online auf sie reagiert oder sie nachmachen kann oder was auch immer.

00:07:05: Und ich habe irgendwann gemerkt, das sind wie so einzelne Puzzleteile von einem größeren Gesamtbild, dass sich da irgendwie vor mir ergibt.

00:07:13: Und dieses Gesamtbild sah ich dann so klar in der Reaktionskultur vor mir, dass ich dazu unbedingt ein Buch machen musste.

00:07:21: Und ich finde das deshalb so interessant, weil ich glaube, dass es Ein Schlüssel sein kann eben zu vielen Diagnosen, über die wir in den letzten Jahren sehr viel gesprochen haben, also die polarisierte Gesellschaft, die Empörungsdemokratie, auch die Cancelculture, also all diese Phänomene.

00:07:40: Ja, die sind natürlich, es gibt komplexe Antworten darauf, warum es die gibt, aber ich glaube, dass eine Antwort eben auch in dieser... durch die Architekturen, die Infrastrukturen der sozialen Medien entstandene Reaktionskultur ist.

00:07:54: Natürlich ist das etwas, was sich erst so herausgebildet hat in den letzten eben, fünfzehn, zwanzig Jahren.

00:07:59: Auch das ist so was, was mich sehr interessiert.

00:08:01: Also wir haben sich soziale Medien verändert.

00:08:04: Und wie ist eben quasi Ja, also welche auch kulturellen Verhaltensweisen und Eigenarten sind eigentlich entstanden im Zusammenhang erstmal mit so neuen technologischen Features, was ja eigentlich Reaktionen sind.

00:08:18: Das ist ja erstmal eine technische schöne Sache, die man irgendwie machen kann.

00:08:23: Aber was hat das eigentlich kulturell?

00:08:25: bewirkt und ich glaube auch, dass die Auswirkungen erst jetzt so richtig vielleicht vor Augen liegen und deswegen finde ich es spannend, natürlich sie anzuschauen.

00:08:33: Aber ich finde es auch deshalb spannend, weil ich finde, das ist so unterschätzt, dass man zum ersten Mal in der Geschichte der Menschheit auch diese ganzen Gedanken von Menschen zu inhalten, diese ganzen Reaktionen.

00:08:45: sehen kann, dass man die nachvollziehen kann, dass die sichtbar sind.

00:08:49: Allein schon deshalb finde ich, es ist doch total spannend zu gucken, was genau passiert da eigentlich, wie reagieren Menschen eigentlich, was treibt sie um und so und diese Gelegenheit nutze ich dann einfach auch.

00:09:02: Können Sie uns ein Beispiel für eine ganz spezifische Verhaltensweise nennen, die erst entstanden ist, weil wir diese Möglichkeit haben online zu reagieren auf etwas?

00:09:11: Also ich glaube, dass die Möglichkeit selbst erstmal unser Verhalten noch gar nicht so sehr verändert hat.

00:09:19: Ich glaube, da würde ich auch sozusagen dieser Anfangszeit sozialer Medien unterscheiden wollen von der jetzigen, weil diese Möglichkeit hat erstmal das Gefühl in uns, glaube ich, erzeugt, wow, wir haben eine Handlungsmacht, wir haben eine Wirksamkeit, das ist ja super.

00:09:35: Also ich würde es jetzt persönlich nicht demokratisierte Kommunikation nennen, aber auf jeden Fall viel Partizipation ist möglich.

00:09:43: Ich glaube aber, dass sozusagen dann erst verstanden wurde, was es heißt, dass diese Reaktionen sichtbar sind.

00:09:50: Und ich glaube, die Sichtbarkeit dieser Reaktionen hat unser Verhalten dann schon sehr verändert, weil natürlich in dem Moment, wo etwas sichtbar ist, fangen wir an.

00:09:58: es inszenatorischer einzusetzen, weil wir spüren ja, oh, ist es sichtbar.

00:10:02: Ich will mich ja sozusagen nicht, äußert man sich nicht genauso frei, wie man das getan hätte, wenn es unsichtbar gewesen wäre.

00:10:09: Und hinzu kommt, glaube ich auch, dass man gemerkt hat, Reaktionen sind, so ein ganz, ganz gutes Instrument eigentlich auch, ein bisschen Verantwortung auch abzugeben.

00:10:20: Man hat ja quasi nur reagiert.

00:10:23: Und auch das ist, glaube ich, so ein Mechanismus, den wir uns sehr stark zu Nutze gemacht haben.

00:10:28: Gerade wenn es jetzt auch um gesellschaftliche Themen geht oder politische Themen, dass man in dem Moment, wo man irgendwie dem Ganzen im Grund gibt, weil man ja eben nur reagiert hat, auch sich so ein bisschen dahinter versteckt und gar nicht so sehr die Verantwortung übernimmt, sozusagen für seine Reaktion.

00:10:45: Also ich glaube, das sind zum Beispiel so Folgen davon, aber die Größe, also das sind individuelle Auswirkungen.

00:10:52: Ich würde aber sagen, es gibt eben auch größere gesellschaftliche und kulturelle Auswirkungen, die mit dem Status von Autorenschaft zu tun haben, zum Beispiel, dass man irgendwie, ich habe es vorhin schon so ein bisschen erwähnt, dass das Autoschaft total fragil geworden ist, dass man zwar sagen kann, wie man etwas gemeint hat, aber ob einem das jemand glaubt, sei jetzt mal dahingestellt und in dem Moment, wo die Rezeption aber mehr Bedeutung hat, verliert man sozusagen diese eigene Autorität auch total stark.

00:11:24: Es hat vor allem für den Werkbegriff auch von kulturellen Artefakten, also was man ja auch merkt ist, dass alles immer in Frage gestellt werden kann.

00:11:32: Es ist nicht mehr so, dass irgendwie ein Kunstwerk ein Endpunkt ist so gesetzt.

00:11:38: Das bedeutet es vielleicht, vielleicht auch nicht, aber irgendwie, dass da auch so eine Abgeschlossenheit existiert.

00:11:43: Alles ist total offen, kann immer noch mal endkontextualisiert werden, neu kontextualisiert werden.

00:11:49: Also auch das finde ich sind so... Auswirkungen, die auch einfach jetzt irgendwie meine individuelle Verhaltensweise total übersteigert.

00:11:57: Gleichzeitig aber natürlich im Umkehrschluss natürlich was mit mir macht, weil ich ja dann auch überlege als Autorin eben, setze ich mich dem aus, wie muss ich mich verändern, damit ich in diese Kultur wiederum passe und auch dieses eigene Werk verändern, damit es in diese Kultur passt und so weiter.

00:12:12: nochmal gern zurück zu diesem Punkt, dass man ja in Anführungsstrichen nur reagiert.

00:12:17: Wenn jetzt eine öffentliche Person auf ein Post positiv reagiert, indem sie zum Beispiel den Daumen hoch macht, der dann allerdings als Antisemitismus ausgelegt wird, dann ist eine Reaktion, auch wenn es nur eine Reaktion ist, doch unter Umständen rufschädigend bis hin zu dem Punkt, dass man Gefahr läuft, seinen Job zu verlieren, oder?

00:12:39: Absolut.

00:12:42: Ich nenne das Kapitel, in dem ich auch eines dieser Beispiele bespreche, verhängnisvolle Sichtbarkeit.

00:12:47: Und ja, absolut.

00:12:49: Also ich glaube, es gibt einerseits eben dieses Gefühl ... nur zu reagieren, was auch ein bisschen die Berechtigung für einen selbst ist online aktiv zu werden.

00:12:59: Das schließt sich aber nicht aus mit der eigentlichen Bedeutung und Konsequenz, sozusagen die Reaktion haben können.

00:13:06: Und in diesem speziellen Fall hatte ich jetzt in meinem Buch Gerardine Rauch, also das ist so ein... von einem ja, glaube ich, relativ viel besprochenen Beispiel gewesen, die Präsidentin der TU Berlin, die eben auf X, wenn ich mich richtig erinnere, ein Posting von einer Pro-Palestine-Demonstration gelegt hat, auf dem schon ein dezidiert antisemitisches Motiv zu sehen war.

00:13:28: Sie hat das dann abgestritten, dass sie das gesehen hat.

00:13:31: Sie meinte, sie hätte quasi nur den Text gelegt und außerdem ist sie ja auch privat hier, was ja auch immer so eine schöne Formulierung in der Bio eines Profiles sein kann.

00:13:41: Ja, das wurde ihr zum Verhängnis.

00:13:43: Und ich mein, auf einer Art ist also, erst hat man natürlich immer so ein bisschen den Impuls.

00:13:48: Also, man, ich habe immer den Impuls erst mal, ja, da sehr nachsichtig zu sein und auch zu sagen, ja mein Gott, so was passiert auch, ne?

00:13:55: Wir alle leiden unzählig ist und da rutscht ein eben mal so dieses Daumen hoch aus und wir kennen das doch alle, dass uns das, ja, dass uns da auch mal irgendwie so etwas durch die Lappen geht, was man was nicht genau angeschaut hat und so weiter.

00:14:09: Andererseits ist sie natürlich eine Person des öffentlichen Lebens und natürlich kann man auch zu Recht die Frage stellen, müsste sie in der Hinsicht eben nicht Medien geschulter sein und vielleicht ja eben doch nur liken, was sie sich genau angesehen hat.

00:14:23: Ich denke, dass mein Buch ein Appell wäre, das zukünftig zu tun für alle und natürlich erst recht, wenn man eine Person des öffentlichen Lebens ist.

00:14:31: Und privat hier ist in dem Moment, wo das Profil nicht privat ist, auch nur so ein bisschen fadenscheinig natürlich.

00:14:38: Ja.

00:14:40: Sind Sie schon mal unter Rechtfertigungsdruck gekommen und sei es auch nur im Freundeskreis zum Beispiel, weil Sie etwas geliked haben?

00:14:46: Tatsächlich ja.

00:14:47: Es ist mir, und ich glaube sogar, das war eines von diesen vielen kleinen Schlüsselmomenten, wo ich auch dachte, das ist irgendwie relevant für mein Buch oder für ein mögliches Buch.

00:14:58: Tatsächlich wurde ich eine Zeit lang öfter mal so privat angeschrieben, wenn Personen ... ein Like aufgefallen ist, von dem sie denken, dass ich das vielleicht gar nicht so gemeint habe.

00:15:11: Und dann wurde ich so im privaten Chat teilweise tatsächlich auch schon unter Druck gesetzt, wer zu viel gesagt.

00:15:17: Aber mir wurde signalisiert, das wurde gesehen und vielleicht muss man darüber sprechen oder vielleicht sollte ich dieses Like zurückziehen.

00:15:24: Sie schreiben in dem Buch, dass sie eine Screenshot-Sammlung haben.

00:15:31: Warum haben sie die und wie viele Screenshots sind es inzwischen?

00:15:36: Ich kann das nicht zählen.

00:15:38: Ich habe mehrere Festplatten und Rechner voller Screenshots.

00:15:42: Ich mache das auf jeden Fall seit bestimmt zwei, also, Jahrzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnteinzehnte diese Tendenz unter Stars wie jetzt Miley Cyrus und so mit einem neuen Album quasi neuen Account zu starten und deswegen habe ich quasi dann immer diese Screenshots der Postings gemacht, weil ich das dokumentieren wollte und diese merkwürdige Idee hatte vielleicht gibt es irgendwann eine Börse dafür.

00:16:17: Ist noch nicht entstanden.

00:16:19: Ich hätte ansonsten tolle Miley Cyrus Screenshots am Angebot.

00:16:23: Also ich mache das wirklich schon sehr lange und dass ich diese doch auch so politische Diskurse und Diskussionen, Screenshots.

00:16:30: Da würde ich sagen, das ist jetzt erst seit so fünf, sechs Jahren aktiv, weil es natürlich auch so viel ist, dass ich da immer auch sehr stichprobenartig durchgehe und immer, wenn ich irgendwie das Gefühl habe, oh, ein Narrativ oder eine bestimmte Form von Kommunikation taucht immer wieder auf, dann fange ich an, da von Screenshots zu machen.

00:16:49: Also es gibt immer quasi erstmal die Beobachtung von der Muster und dann versuche ich das festzuhalten.

00:16:54: Aber da würde ich sagen, es ist erst seit fünf, sechs Jahren so richtig massiv geworden, dass ich dann auch angefangen habe, das so zu sortieren nach Themen und Mechanismen.

00:17:03: Unterscheiden sich Reaktionen eigentlich deutlich je nach Plattform?

00:17:07: Also wenn Sie bei Instagram gucken oder bei TikTok oder bei YouTube, gibt es da zum Beispiel Unterschiede, was Höflichkeit betrifft oder was Möglichkeiten der Reaktion betrifft, die im Grunde genommen den ganzen Diskurs verändern?

00:17:19: Schon.

00:17:20: Also jede Plattform... funktioniert anders und hat deswegen auch so eine andere Kultur jeweils hervorgebracht.

00:17:28: Ich schaue mir das in meinem Buch auch so plattformspezifisch einmal an, welche Arten von Reaktionen es gibt und was diese Reaktionen wiederum vielleicht für Verhaltensweisen hervorgebracht haben.

00:17:39: An sich ist mir trotzdem wichtig, noch mal zu betonen, dass es dennoch überall diese Reaktionskultur gibt.

00:17:43: Aber natürlich funktioniert Instagram allein dadurch, dass es bildbasiert ist oder da Bild- und Textinteraktion noch mal eine viel größere Rolle spielen.

00:17:52: Sehr anders als jetzt zum Beispiel bei X, wo man vielleicht irgendwie mit Quote Tweets arbeitet.

00:18:00: Und ich glaube aber, also ... Es ist einerseits unterschiedlich, es gibt dann aber dennoch immer Mechanismen, die ähnlich sind, weil ich einfach gerade diese beiden Beispiele genannt habe.

00:18:08: Da könnte man zum Beispiel, da tue ich auch einmal vergleichen, wie dieses Überschreiben, sag ich mal, von Bedeutung funktioniert.

00:18:15: Bei Instagram haben wir das dann so, dass man irgendwie einen Beitrag in die Story teilt und dann quasi über diesen Beitrag entweder den eigenen Text oder ein eigenes Bild oder was auch immer liegt, also was ja so eine dezidierte Geste auch des Überschreibens ist.

00:18:29: Bei Twitter oder X hat man eben eher so diese sogenannten Quotetweets, wo man sich natürlich auch irgendwie über etwas setzt und deswegen irgendwie erstmal die Deutungshoheit beansprucht.

00:18:39: Man kann natürlich auch wieder dann quasi drunter landen, aber man überschreibt hier auch eine Art von Bedeutung.

00:18:44: Aber die Präsenz sozusagen, das vorherrigen, ist noch viel viel stärker gegeben.

00:18:48: Das heißt, es ist an sich vielleicht dann schon mal weniger.

00:18:52: So eine Beendigung, sondern ist doch noch vielleicht stärker ein sich in Beziehungen setzen, als das zum Beispiel bei Instagram Stories wäre, aber trotzdem sind es ähnliche Formen des Überschreibens.

00:19:01: Aber so insgesamt würde ich schon sagen, dass gerade jetzt bei den beiden Plattformen X viel stärker ein Debattenmedium ist, was vielleicht auch damit zusammenhängt, als das bei Instagram der Fall ist, wo dann doch immer Leute einzelne Sachen nehmen, vielleicht was überschreiben, aber dann gar nicht so sehr ein... nochmal reagiert oder nochmal kommentiert wird, nochmal so sich ins Verhältnis gesetzt wird, was vielleicht dann eben wiederum mit der Story Funktion zu tun hat, dass da die Reaktionen eben nur für die Person sichtbar sind, die die Story macht und so weiter.

00:19:34: Also auf jeden Fall sind da sehr plattformspezifische auch Reaktionskulturen nochmal entstanden.

00:19:39: Haben Sie eine Lieblingsplattform?

00:19:42: Für mich persönlich ist es Instagram.

00:19:45: Also ich nutze alles, ich brauche auch alles, weil sie eben so unterschiedlich funktionieren und ich das Gefühl hätte, von einem Themengebiet so völlig abgeschnitten zu sein, wenn ich da nicht auch regelmäßig schauen würde.

00:19:58: Aber am aktivsten nutze ich selber eigentlich Instagram, was glaube ich einfach viel mit meiner Affinität für Bilder zu tun hat.

00:20:04: Ich bin ja auch von der Herkunft her.

00:20:06: Kunst- und Kulturwissenschaftlerin.

00:20:08: Deswegen interessiert mich jetzt das einfach rein thematisch auch am meisten.

00:20:14: Und ich mag eigentlich auch, dass man sich eben auch immer wieder so ein bisschen zurückziehen kann.

00:20:19: Man ist jetzt nicht ganz so stark immer diesen Debatten ausgesetzt, wie jetzt zum Beispiel auf X oder auch Plus-Guy ist vielleicht nochmal so ein bisschen Sonderfall.

00:20:27: Aber deswegen wäre es für mich persönlich schon Instagram.

00:20:31: Sagen wir mal ein Arzt, erklärt auf Social Media, wie eine gesunde Ernährung aussieht.

00:20:37: er stellt dann Forschungsergebnisse vor, er liefert Zahlen, er schildert, was eine randomisierte Studie ist und was eine epidemiologische Studie ist und dann kommt er zu einem differenzierten Fazit.

00:20:46: Und nun meldet sich ein Food-Influencer zu Wort und erklärt, dass das alles Unsinn ist.

00:20:52: und er erzählt eine kurze Geschichte der Kategorie, seitdem ich keine Haferflocken mehr esse, habe ich mehr Energie und schlafe besser.

00:20:59: Und dann schauen sich das Millionen Menschen an, die ihm glauben und sich sicher sind, der Arzt hat keine Ahnung.

00:21:05: Und die Frage ist nun, wie lässt sich hier gegen steuern?

00:21:08: Und natürlich ist klar, das Beispiel ist zufällig.

00:21:10: Man könnte genauso gut sagen, Klimaforscher versus Influencer oder Historiker versus Influencer.

00:21:16: Ist auf jeden Fall erst mal eine, finde ich, sehr präzise Beschreibung dessen, was wir in der Gegenwart sehr oft sehen und was auch so ein bisschen mit dem zu tun hat, was ich vorhin sagte, nämlich, dass alles zur Disposition steht und das auch, sag ich mal, Autoschaft im Sinne von... Jemand hat auch eine bestimmte Profession und geht mit dieser Professionalität eigentlich sozusagen in die Öffentlichkeit, dass das so fragil geworden ist.

00:21:41: Ich glaube, also der Mechanismus ist erstmal immer und deswegen finde ich das so schön beschrieben, dieses Beispiel.

00:21:47: Es wird erstmal angezweifelt und durch diese, das nenne ich auch Verdachtskultur, wird erstmal ein Bedeutungsverlust sozusagen erzeugt, oder?

00:21:58: Im Endeffekt sogar ein Bedeutungswakel umhergestellt, weil das ist nicht richtig, was ist aber dann das Richtige?

00:22:03: Und dann sozusagen werden so alternative Bedeutungen angeboten.

00:22:07: Also das ist so wirklich, ich glaube es gibt auch, ich beschreibe das ein bisschen auch so als Markt von möglichen Wahrheiten, der dann eben online existiert und dann kann man sich das so aussuchen.

00:22:17: Und mich hat schon die Frage auch sehr beschäftigt.

00:22:20: Sie beschäftigt mich auch immer noch, also ich glaube, da kann man auch noch mehr eigentlich dazu sagen und drüber nachdenken, wie eigentlich Autoritäten im Netz entstehen.

00:22:28: Und ich glaube, das hat einerseits natürlich oft damit zu tun, dass sie eben viele Follower haben.

00:22:33: Klar, das gibt einem schon mal viel Autorität, weil was viele Menschen glauben, ist vielleicht auch richtiger als das, was wenige Menschen glauben, oder?

00:22:41: oder eben wahrnehmen.

00:22:43: Es hat aber auch sehr oft meinem Eindruck nach mit Timing zu tun.

00:22:47: Jetzt vielleicht nicht in dem Beispiel, was Sie gerade erwähnt haben, aber das sehe ich bei politischen Debatten sehr oft.

00:22:52: Dass es jemand kommt, obwohl er vielleicht noch nie mit diesem Thema großartig in Verbindung gebracht worden ist und zur richtigen Zeit für eine offene Frage eine Antwort anbietet.

00:23:02: Und das geht viral und dann ist natürlich schon auch wieder sozusagen die Anzahl an Reaktionen einfach eine wichtige Grundlage.

00:23:10: für das Glauben.

00:23:11: Aber es hat eben auch mit spezifischen Kommunikationsstrategien zu tun.

00:23:16: Exemplarisch untersuche ich da zum Beispiel die sogenannte Infokachel auf Instagram, wo man eben sehen kann, dass extra auch immer so Bedeutungslücken gesetzt werden, die man dann quasi als Rezipientin irgendwie füllen kann, mit eigenem Wissen, mit eigener Bedeutung, die oft eben sehr zwar verkürzt, aber eben das, was wir relatable immer ganz gerne online nennen, sind.

00:23:37: Also man kann sich dazu ein Verhältnis setzen und hat eine andere Art von Verständnis vielleicht dafür, als das eben möglicherweise ein Wissenschaftler oder eine Wissenschaftlerin tun könnte mit ihrer Arbeit.

00:23:48: So ist es möglich, das eben weiß ich nicht.

00:23:51: Also Autoritäten, die ihre Autorität durch so einen langen Prozess an Studium und akademische Arbeit und so weiter gewonnen haben, sehr leicht in Frage zu stellen sind, wohingegen neue Autoritäten, wie ich sie dann auch nenne, die möglicherweise einfach ein gutes Timing hatten, plötzlich sehr viel Macht ausüben können.

00:24:10: Haben Sie eine Idee, wie sich das wieder umkehren ließe, dieses Verfahren?

00:24:14: Ich glaube nicht, dass man das einfach umkehren kann.

00:24:18: Ich glaube tatsächlich, dass wir in so einer enormen Umbruchsphase gerade uns befinden in all diesen Bereichen durch KI nochmal mehr auch an Beschleunigungen zugenommen, dass mein Gedanke tatsächlich ist und deswegen schreibe ich auch, ich habe jetzt hier auch keinen irgendwie Fünf-Punkte-Plan.

00:24:36: Wie kann man da irgendwie dagegen wirken?

00:24:39: Aber ich glaube schon, dass natürlich erstmal eine Wahrnehmung dieser Mechanismen und eine Bewusstwertung auch dessen, wie man selber eigentlich online agiert und vor allem welche Rolle man selber online spielt, dazu beitragen kann, dass es einen Zivilisationsprozess in der Long Run vielleicht gibt.

00:24:59: Und vor allem wirklich dieses... bewusst werden, glaube ich, der eigenen Wirksamkeit.

00:25:05: Ich glaube natürlich, dass ganz viele das intuitiv wissen, die online sind und auch so spüren, was haben Algorithmen für eine Rolle und eine Funktion?

00:25:13: und man redet ja auch schon ständig, also man viele reden ja auch ständig sozusagen zum Algorithmen, so bitte zeig mich an und so, dass wir irgendwie manchmal so lustige Bitgebete zu finden.

00:25:22: Also viele wissen das, viele wissen es intuitiv.

00:25:25: Ganz viele wissen es aber auch gar nicht.

00:25:27: Was ich auch immer wieder beobachte, ist diese riesige Kluft zwischen denjenigen, die da täglich sind und die Mechanismen ziemlich gut durchdrungen haben und auch schon viel reflektierter sich durch das Netz bewegen und denjenigen, die da vielleicht auch nur so einmal am Tag kurz reinschauen irgendwie auf Instagram und noch gar kein Gespiel dafür haben.

00:25:47: Und natürlich auch Menschen, die vielleicht nie in den sozialen Medien sind, auch das gibt es ja noch.

00:25:51: Und ich glaube, dass man da ... Da muss so eine Angleichung stattfinden.

00:25:55: Es muss, glaube ich, viel mehr Wissen entstehen darüber, wie die sozialen Medien funktionieren, im Sinne von auch, was für Verhaltensweisen haben sich ausgeprägt, die natürlich auch längst darüber hinaus wirksam sind.

00:26:11: Und ja, und dazu gehört erst mal mein Buch lesen.

00:26:17: In der Tat?

00:26:19: Ja, einfach sich damit beschäftigen, auseinandersetzen, die eigenen Verhaltensweisen dann hinterfragen und genau.

00:26:26: Also ich kann leider wirklich nicht sagen, was man, ich würde schon sagen, dass man auch immer viel ausprobieren muss natürlich.

00:26:32: Also ich denke natürlich schon, dass eigentlich diese traditionellen Erkenntnisinstanzen wie Wissenschaft und Journalismus extrem wichtig sind und dass man da noch nicht so gute Umgangsweisen gefunden hat, wie man sich zu dem verhält.

00:26:47: einfach, was im Netz passiert, was aber auch daran liegt, dass es keine einfachen Lösungen gibt, schlichtweg.

00:26:55: Also ich zitiere da auch Johannes Franz, der das auch mal so die Aufmerksamkeitsfalle genommen hat.

00:27:00: Es gibt einen Skandal von mir aus dem... weiß ich nicht, politischen Skandal, der ist vielleicht auch gar kein Skandal.

00:27:06: Aber er kommt uns plötzlich so vor, weil er in den sozialen Medien so dermaßen skandalisiert wird.

00:27:11: Ist es vielleicht ein Skandal?

00:27:12: Dann berichtet man darüber und lässt sich ein sozusagen auf diese Reaktionsökonomie.

00:27:16: Aber wenn man nicht darüber berichtet, dann wird einem vorgeworfen, dass man das nicht ernst nimmt, was die Menschen umtreibt.

00:27:25: Es gibt keinen leichten Antworten darauf.

00:27:27: Aber ich glaube, dass diese Frage, wie man damit umgeht, Auch mit der Menge ja mittlerweile sozusagen an skandalisierten Inhalten auf jeden Fall die zentrale Frage ist, die man sich wahrscheinlich gerade stellen muss.

00:27:40: Und einfache Antworten gibt es nicht, aber natürlich gibt es Lernprozesse über längere Zeiträume, die jetzt sofort beginnen sollten.

00:27:51: Wer ihr Buch liest, alle sollten es natürlich tun.

00:27:55: Der stößt im zweiten Kapitel auf etwas, das sie Hyperinterpretation nennt.

00:28:00: Das ist im Grunde so etwas wie das Kernstück ihres Buchs.

00:28:03: Das Kapitel ist sehr lang, es ist reich bebildert.

00:28:05: Und Sie müssen uns jetzt unbedingt erklären, was das ist, die Hyperinterpretation.

00:28:09: Ja.

00:28:10: Also, während ich im ersten Teil so ein bisschen erst mal beschreibe, was ist diese Reaktionskultur?

00:28:14: Welche Arten von Reaktionen gibt es?

00:28:16: Interessiert mich im zweiten Teil eine bestimmte Art von Reaktionen, die ich eben Hyperinterpretation nenne.

00:28:23: Und Hyperinterpretation ist eine besonders strategische, instrumentelle und auch destruktive Form der Rezeption von Inhalten im Netz.

00:28:38: Das ist jetzt erstmal sehr allgemein gesprochen.

00:28:40: Ich bringe auch gleich ein Beispiel.

00:28:42: Aber vielleicht ist wichtig nochmal zu sagen, dass ich Hyperinterpretation... in der sich ein bisschen Unterschiede von so etwas wie Überinterpretation, also etwas zu überinterpretieren, kann natürlich auch schon sehr strategisch sein und sozusagen widerspricht vielleicht auch dem Interpretationsideal, was man aus der Hermeneute kennt, mit dem ich mich dann auch nochmal eigens beschäftige.

00:29:04: Aber es geht eigentlich eher sozusagen um produktiven Erkenntnisgewinn meistens und nicht so sehr um destruktive Zerstörung von Bedeutungen wie jetzt bei der Hyperinterpretation.

00:29:15: Ich bringe vielleicht ein Beispiel, das ich auch in meinem Buch sehr ausführlich bespreche und das ist ein Posting des Greta Thunberg ungefähr zwei Wochen nach dem siebten Oktober veröffentlicht hatte auf X und darauf zu sehen sind eben eine Gruppe von Pro-Palestine Demonstrierenden, den sie eingeschlossen und auf dem Knie einer der Demonstrierenden sitzt, ein kleiner Plüschtür Oktopus.

00:29:39: sehr schnell.

00:29:40: Und dann erstmal natürlich, der Mechanismus ist immer gleich, das passiert so oder so.

00:29:44: Man nimmt Bilder, gerade wenn es Personen des öffentlichen Lebens sind und schaut sie sich erst mal so forensisch an.

00:29:50: Was ist da drauf?

00:29:50: Und sehr viele haben natürlich diesen Octopus direkt entdeckt.

00:29:53: Und in diesem Kontext der Propadestine Demonstration lag ja auch durchaus nahe, das als antisemitisches Motiv wahrzunehmen, also jetzt eingeordnet in die Ikonografie des Antisemitismus und des Finanzjudentums.

00:30:08: Und viele haben das auf eine Art und Weise gemacht, die ich eben auch als sehr charakteristisch für Hyperinterpretation wahrnehme, nämlich indem sie so Erkenntnismethoden aus Akademie, Journalismus und so weiter benutzen, um eben ihre Interpretationen zu belegen oder zu bestärken.

00:30:27: Zum Beispiel, indem sie Bildvergleiche angestellt haben.

00:30:30: Dann hat man eben so recherchiert, wie sahen halt, wenn man sich jetzt die Ekonografie des Antisemitismus anschaut, wie sahen vorher solche Kragen aus, wie sieht diese Octopus aus und haben die so nebeneinander gestellt?

00:30:41: Oder man hat eine Kontext-Analyse gemacht, man ist ihren kompletten Account durchgegangen und hat dann eben festgestellt, sie hat noch nie diesen Octopus erst jetzt in diesem einen Beispiel, das muss ja sozusagen Antisemitismus sein.

00:30:54: Und im Buch versuche ich auch so ein bisschen meine eigene Wahrnehmung sozusagen dieses Bildes mitzutematisieren, weil interessanterweise so als die ersten Interpretationen eintrudelten, sag ich mal, dachte ich mir so nah, komm.

00:31:07: Also Greta Thunberg ist doch keine Antisemiten.

00:31:09: Also ich habe das wirklich überhaupt nicht geglaubt.

00:31:11: Ich fand das total übertrieben, zumal das so ein Blüchtel-Octopus ist, den man auch wirklich oft in so kleinen Spielzeugläden sieht.

00:31:17: Also da war ich mir eigentlich sicher.

00:31:20: Hab dann aber festgestellt, je mehr Interpretationen sozusagen sich angehäuft haben, oh, vielleicht, vielleicht stimmt das, vielleicht, vielleicht, vielleicht ist da doch was dran.

00:31:31: Also mir kam es tatsächlich auch immer plausibler vor.

00:31:34: Bis dann eine andere Deutungsgemeinschaft, wie ich das nenne, kam und mir wiederum plausibel machen konnte, ebenfalls mit Bildvergleichen, Kontextanalyse und so weiter.

00:31:44: dass dieses Plüsteoctopus ein Motiv aus der Autismus-Community ist, weil man den eben so drehen kann mit einem lachenden und weinten Gesicht und um anzuzeigen, wie man sich fühlt und auch das dann eben sehr plausibel machen konnte.

00:31:58: Also mir persönlich dann am Ende vielleicht sogar plausibler machen konnte, wobei, was individuell dann hängen bleibt, ist noch mal was anderes.

00:32:06: Und bei der Hyperinterpretation geht es aber jetzt gar nicht mal nur darum, eine Lesart zu bieten, sondern Hyperinterpretation wäre für mich nur dann gegeben, wenn man merkt, und ich finde, man kann das in vielen Postings eben auch genauso sehen, dass es eigentlich gar nicht um die Frage zum Beispiel geht, ist das jetzt Antisemitismus oder nicht, sondern dass sie eben wirklich instrumentell eingesetzt wird, dass es eigentlich darum geht, die Klimabewegung jetzt endlich zu delegitimieren.

00:32:34: Oder dass es jetzt darum geht, endlich mal Kretat Thunberg von ihrem hohen Ross zu stoßen, weil man ja so genervt ist oder eben umgekehrt, dass es vielleicht einfach darum geht, die Klimabewegung zu schützen, zu rechtfertigen oder was auch immer.

00:32:47: Also das ist eigentlich nur so ein, diese Interpretation ist eigentlich nur ein Vorwand für einen politischen Machtkampf.

00:32:52: Sind Freunde oder Bekannte von ihnen schon mal als Hyperinterpret oder Hyperinterpretin in Erscheinung getreten?

00:33:00: Diese Frage ist sehr persönlich.

00:33:04: Ich bohr auch nicht nach.

00:33:05: Antworten Sie nur mit ihr oder nach?

00:33:06: Ja.

00:33:07: Ich bohr jetzt doch einmal ganz allgemein nach.

00:33:10: Äußern Sie sich dazu oder nehmen Sie das zur Kenntnis und lassen es dann gut sein?

00:33:14: Bei Freunden äußere ich mich dazu.

00:33:16: Also ich versuche das natürlich zu erklären, warum ich das als Hyperinterpretation wahrnehme und versuche auch schon... Ich meine, es ist immer sehr so ein bisschen die Frage auch da, wie bewusst oder wie unbewusst finden diese Mechanismen statt.

00:33:32: Aber natürlich, also jetzt im privaten Kontext versuche ich das schon zu diskutieren, auch wenn man da natürlich sehr schnell an Grenzen kommt.

00:33:39: In meinem allgemeinen Online-Verhalten würde ich sagen, ich wüsste gar nicht, wo ich da anfangen soll.

00:33:45: Also ganz ernst gemeint.

00:33:46: Also ich meine, das Buch ist natürlich der Versuch.

00:33:49: das zu thematisieren.

00:33:50: Ich glaube, es ist auch meine persönliche Umgangsweise mit einer Kultur, die ich wirklich hochproblematisch finde und wo ich manchmal einfach auch mich individuell in dem Moment selbst hilflos fühle, sozusagen dem etwas Sinnvolles entgegenzusetzen, weil da ja auch so ein Unmachtsgefühl existiert, weil man natürlich auch weiß, wie das eben immer so ist, dass bestimmte Polemiken oder bestimmte Kommunikationsformen mächtiger sind und vor allem Mächtiger als wenn man jetzt kommt mit einem Ethos und mit einer Differenziertheit.

00:34:27: Da mache ich mir auch keine Illusionen.

00:34:28: Da kann ich glaube ich nicht so viel bewirken.

00:34:29: Aber das Buch ist ja natürlich auch ein bisschen der Versuch, da etwas von außen zu bewirken.

00:34:35: Ganz unabhängig von den konkreten Situationen.

00:34:38: Sie bringen in Ihrem Buch die Hyperinterpretation in einen Zusammenhang mit dem Zynismus.

00:34:46: Können Sie einmal erklären, wie das gemeint ist?

00:34:49: Ja, ich glaube mir ist aufgefallen und das hatte ich eben gerade schon so ein bisschen erwähnt bei der Unterscheidung von Über- und Hyperinterpretation, dass bei der Hyperinterpretation immer so ein bisschen destruktiver Moment dabei ist.

00:35:03: Und diesen... destruktiven Moment, den sehe ich vor allem in der zynischen Kommunikation oder eben im Zynismus im weitesten Sinne.

00:35:14: Und es war sogar fast ein bisschen Zufall, dass ich eben Slotterdikes Kritik der zynischen Vernunftsergleichenzeit gelesen hatte.

00:35:22: Und da so ein paar Erkenntnismomente hatte, die ich unbedingt in das Buch einfließen lassen wollte, wozu auch sozusagen die Herkunft aus dem Kynika gekommen ist.

00:35:30: Der ja erst mal, wie soll ich sagen, eine Figur ist, der durchaus auch positiv besetzt ist, weil er eben auch so ein rebellischer Geist ist, weil er ja eben auch so was Widerständiges hat, was man natürlich auch im Zynismus noch sieht.

00:35:47: oder in der zynischen Kommunikation noch sieht, aber ja, am Ende verendet es dann doch in fast schon so einem nihilistischen destruktiven Verhalten.

00:35:57: Und deswegen, genau, und das würde ich wirklich sagen, ist sehr, sehr oft einfach an die Hyperinterpretation gekoppelt, also dieses, ja, so zerstörerische... Moment, oft aber auch eben noch verbunden und das eben so aus dem Kyniker heraus, oft aber schon auch verbunden mit so einer Selbstinszenierung, so einer Selbstgefälligkeit auch derer, die das dann posten.

00:36:19: Und was mich auch interessiert hat an diesem Begriff ist, dass ganz, ganz oft, wenn man über bestimmte Formen von Kommunikation im Netz spricht, ist sehr schnell sozusagen ... Rechte-Kommunikation genannt wird.

00:36:31: Also sehr schnell sagen wir so ... ... die Rechten machen das so und so und ... ... wahrscheinlich ... ... ich habe mir dann eben dieser ... ... für mich stand ... ... das schreibe ich auch so dieser Elefant im Raum ... ... ist denn Hyperinterpretation rechts und ... ... ich beantworte sie mit Nein, aber sie ist eben zynisch ... ... oder ich fand das eben irgendwie für mich eine gute Lösung ... ... dass eher zwei Kommunikationsformen zu unterscheiden ... ... als zwei ... ... ideologische Positionen zu unterscheiden.

00:36:58: Natürlich ... Ich habe mich dann auch bemerkt, so je mehr Beispiele ich gesammelt habe und mir angeschaut hat, das ist sehr, sehr häufig, dann doch wieder rückgebunden ist an bestimmte Weltanschauungen, wenn man zynisch kommuniziert.

00:37:11: hat man vielleicht eher diese Vorstellung, der macht das stärkeren sozusagen und natürlich ist das dann auch wieder zurückzubinden an bestimmte ideologische Positionen, aber ich würde es eben, man kann es nicht so ganz genau sagen, also Hyperinterpretation würde ich am Ende sagen, kann man wahrscheinlich auch überall finden, aber es gibt dann so Zendenzen und deswegen stelle ich sozusagen nach zynischen Kommunikation einer moralisch Moralisch eher getriebenen Kommunikation gegenüber.

00:37:39: Und genau, also mir erscheinen eben diese Pole auch sehr plausibel und letztlich lassen sie sich aber wahrscheinlich in allen ideologischen Richtungen finden, auch wenn sie mehr oder weniger zuordnungsbar sind.

00:37:50: Muss die Hyperinterpretation eigentlich immer absolut sein.

00:37:53: oder gibt es da Abschlufung, dass man so eine milde Hyperinterpretation hat?

00:37:56: oder da haben wir einen Hyperinterpreten, der irgendwie gar nicht mitkriegt, was er gerade tut und deswegen muss man da im Grunde noch mehr Rücksicht walten lassen.

00:38:04: oder ist Hyperinterpretation immer absolute Hyperinterpretation?

00:38:09: Nee, also nicht das absolute.

00:38:12: Also ich meine, das ist auch immer, wenn man so Unterscheidungen vornimmt.

00:38:18: Dann tut man das, um etwas zu erhellen, um bestimmte Mechanismen sichtbar zu machen.

00:38:24: Aber natürlich gibt es hier alle Graubereiche in allen Formen von Interpretation und wahrscheinlich lässt sich selbst, wenn man dann so einen konkreten Fall nimmt.

00:38:33: am Ende nie hundert Prozent bestimmen.

00:38:36: Aber gut, es gibt jetzt schon, also ich wüsste jetzt in meinem Buch schon einige Screenshots oder einige Kommentare, von denen ich sagen würde, ja, die sind jetzt schon hundert Prozent Typerinterpretation.

00:38:44: Aber nein, natürlich gibt es da Graubereiche.

00:38:46: Natürlich gibt es wahrscheinlich Menschen, die sich ja der Wirkung ihrer Postings in A nicht so bewusst sind vielleicht oder die, die vielleicht dann doch sozusagen am Ende noch moralische Gründe haben für ihre zynische Interpretation oder was auch immer.

00:39:01: Also natürlich gibt es da ganz, viele Zwischenbereiche und eher sehr wenige absolute Hyperinterpretationen, aber dennoch finde ich sozusagen diese diese Einteilung sehr hilfreich.

00:39:13: Auch für mich, das merke ich auch wirklich so, jetzt wenn ich so durchs Netz gehe, dass ich das öfter dann schneller erkenne, wenn ich sehe, ah okay, das ist schon sehr instrumentell oder also einfach das so mal zu... identifizieren, was so zur Hyperinterpretation gehört, um dann einfach vorsichtiger zu sein, was meine Reaktion betrifft.

00:39:31: Dafür ist es schon sehr hilfreich.

00:39:32: Aber absolut würde ich jetzt nie benennen wahrscheinlich.

00:39:37: Sie sind nun online viel unterwegs.

00:39:39: Sie denken über Phänomene wie Hyperinterpretation nach.

00:39:43: Wie sehr lassen Sie sich emotional affizieren, wenn Sie ins Internet gehen?

00:39:48: Und wie geht es Ihnen dann am Ende eines Tages?

00:39:51: Schlecht, sehr schlecht.

00:39:53: Ich lache jetzt.

00:39:54: Das ist mein Coping-Mechanismus.

00:39:58: Tatsächlich war das dann die Idee für den dritten Teil des Buches, sozusagen die Schilderung meiner eigenen Wahrnehmung dieser Phänomene daran münden zu lassen, meinen persönlichen Zustand, aber den habe ich sozusagen ein bisschen auch zur Sozialfigur gemacht oder erklärt, als hyperreaktiv zu beschreiben.

00:40:16: Und was meine ich damit?

00:40:18: Es ist auf jeden Fall ein, also es geht einem insofern nicht gut, als dass man auf mehreren Ebenen überfordert ist.

00:40:24: Also ich finde, es gibt eine emotionale Überforderung, weil Schon alleine dieses nie-genau-Wissen.

00:40:31: Wie ist etwas gemeint?

00:40:32: Was ist wahr?

00:40:33: Was ist falsch?

00:40:34: Mit diesem ganzen auch strategischen der Kommunikation den ganzen Tag konfrontiert zu sein.

00:40:40: Also bei aller... Authentizitätsdeklaration ist das ja nun wirklich leider der seltenste Fall.

00:40:45: Das heißt, wir haben wirklich die ganze Zeit mit diesen strategischen Kommunikation zu tun und das ist emotional extrem überfordert.

00:40:52: Aber es ist natürlich auch intellektuell extrem überfordert, also auch immer wieder abwägen zu müssen.

00:40:57: Was ist das denn jetzt hier für eine Interpretation?

00:40:59: Was bedeutet das denn?

00:41:00: Ist das wahr?

00:41:01: Ist das falsch?

00:41:02: Wie muss ich das einordnen?

00:41:03: Also ich meine, bei mir natürlich auch, weil ich daran gearbeitet habe.

00:41:07: Natürlich nochmal multipliziert, weil ich ja die ganze Zeit immer versucht habe, natürlich auch das gegeneinander abzuwägen und einzuordnen und also intellektuell ist das wahnsinnig anspruchsvoll.

00:41:19: Aber es ist eben auch im Alltag sehr anspruchsvoll, das immer einschätzen zu müssen selber, weil das ja einen niemand abnimmt.

00:41:26: Man muss ja am Ende selber entscheiden.

00:41:28: Und es gibt eben auch so diese Gleichzeitigkeit, also das wäre jetzt für mich eben auch so ein wichtiges Merkmal von Hyperreaktivität, dass man einerseits sich extrem... handlungsmächtig fühlt, weil man kann ja eben alles kommentieren und reagieren.

00:41:44: Ich zitiere da auch William Davis, ein Kulturwissenschaftler, der hat mal so ein Experiment gemacht, dass er quasi Social Media Quitting betrieben hat, also er ist rausgegangen aus den sozialen Medien und hat dann das wirklich als Verlust erfahren, als Unmachtsgefühl erfahren, jetzt nicht mehr auf die Nachrichten reagieren zu können.

00:42:02: Und das kann ich nachvollziehen.

00:42:03: Also das gibt es auf der einen Seite und auf der anderen Seite gibt es natürlich ständig diesen.

00:42:09: Dieser Druck sozusagen auch dann wiederum reagieren zu müssen, bringt uns aber in so eine Unmachtsposition, weil wir natürlich das gar nicht leisten können.

00:42:17: Wir können nicht auf alles reagieren.

00:42:19: Wir können uns nicht zu jedem Thema positionieren, was ja auch oft damit einhergeht.

00:42:23: Also das ist vielleicht auch noch was, was man allgemein sagen muss, reagieren.

00:42:28: klingt jetzt irgendwie erstmal so neutral, aber reagieren heißt ja immer bewerten, reagieren heißt ja immer, weiß ich nicht, etwas in Fragestellen oder etwas zustimmen oder so weiter.

00:42:40: Also es ist ja nicht einfach nur reagieren, es geht ja mehr damit einher.

00:42:43: Und dieser Druck sozusagen ist ja auch wahnsinnig überfordernd.

00:42:49: Genau, und so würde ich sozusagen meine eigene Gefühlslage beschreiben.

00:42:53: Aber ich glaube, es ist natürlich etwas, das man auch im gesellschaftlichen Diskursen immer wieder thematisiert sieht und das, glaube ich, für viele eine große Belastung darstellt.

00:43:02: Weshalb es ja eben auch all diese Fragen gibt.

00:43:05: Also wie kann man eben Social Media vielleicht verlassen?

00:43:07: Wie kann man pausieren?

00:43:08: Wie kann man irgendwie genau sein Emotionshaushalt regulieren angesichts dessen, was da auch täglich kommt?

00:43:17: Wie oft reagieren Sie eigentlich auf Posts?

00:43:21: Nicht weil Sie den Post sinnvoll finden oder lustig oder richtig, sondern weil der Autor oder die Autorin des Posts jemand ist, den Sie schätzen.

00:43:30: Sehr oft.

00:43:31: Also ich gehe eben wirklich eben so strategisch oder bewusst eben durchs Netz, dass ich schon sagen würde, für mich ist, reagieren eben auch Aufmerksamkeit verteilen.

00:43:43: Also nicht nur für mich, das ist faktisch so.

00:43:45: Aber ich nehme diese Möglichkeit an diese Aufmerksamkeitsverteilung zu partizipieren eben, die nehme ich wahr, die nehme ich auch sehr aktiv wahr, dass ich schon gucke.

00:43:56: Natürlich kommt es dann auch noch auf den Inhalt an.

00:43:58: Also ob ich den eben auch Aufmerksamkeitswürdig finde, was, wenn das aber der Fall ist, weil ich eben zum Beispiel die Person sehr schätze, dann, dann lege ich da eben mehr als bei anderen Personen.

00:44:10: Und das ist natürlich, also ich finde auch, da haben wir eine gewisse Verantwortung daran mitzuwirken und bis hin ist das Buch auch ein Appell an, an alle, ja, das ebenfalls wahrzunehmen und in der Aufmerksamkeitsökonomie, diesbezüglich eben vielleicht ja auch was Positives zu bewirken, ja, je nachdem.

00:44:30: Letzte Frage.

00:44:31: Was haben Sie zuletzt als Screenshot festgehalten?

00:44:34: Da muss ich kurz überlegen.

00:44:36: Das war heute noch nicht.

00:44:38: Ich hab gestern Screenshots gemacht.

00:44:42: Von was war das?

00:44:45: Es waren sogar mehrere Screenshots.

00:44:46: Es waren mehrere Screenshots von diesem AI-Video, das Donald Trump auf Truth Social geteilt hat, wo er in diesem Flieger sitzt.

00:44:57: Scheiße auf die Demonstranten abwirft.

00:45:01: Da habe ich mehrere Screenshots gemacht, weil mich interessiert hat, wo dieses Video eigentlich herkommt.

00:45:05: Weil das war irgendwie so ein Random Account auf Instagram, der überhaupt nicht viele Follower hat und wo mich dann sehr beschäftigt hat.

00:45:14: wie riesig das Team von Donald Trump sein muss, die jeden Tag gucken, welche Inhalte zu ihm produziert werden und welche sie dann teilen können.

00:45:20: Und natürlich auch so ein bisschen, wie das rezipiert wurde.

00:45:23: Und dann habe ich, also das mache ich dann auch manchmal, dass ich so einen Fall nehme und dann screenshotte ich einfach so alles Mögliche ringsherum, um dann vielleicht nochmal nachvollziehen zu können, was dann so passiert ist in der Rezeption.

00:45:33: Hyper-Reaktiv ist bei Wagenbach erschienen, hat Hundert zweiundneinzig Seiten und kostet achtzehn Euro.

00:45:39: Vielen Dank, Anne-Kathrin Koot.

00:45:40: Dankeschön.

00:45:44: Weiterführende Hinweise finden Sie in den Show-Notes und auf FAZ.net.

00:45:48: slash Bücher-Podcast Bücher mit UE.

00:45:51: Falls Sie Fragen haben, können Sie mir gerne schreiben, die E-Mail-Adresse lautet Bücher-Podcast at FAZ.de.

00:45:57: Diese Episode wurde produziert von Kevin Gremmel und in der kommenden Woche begrüßt sie an dieser Stelle Paul Ingendai.

00:46:03: Vielen Dank fürs Zuhören und bis zum nächsten Mal.

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